Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Sammelſpeht: H. de Sauſſures Bericht. 601

ſie in dies Loch und ſtößt ſie mit ſeinem Schnabel hinein wie einen Zapfen in ein Spundloh. Die ſo feſtgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben angegriffen und mit der größten Leichtigkeit zerſtü>t; denn mit jedem Streiche ſtößt der Specht ſie tiefer und feſter hinein. Aus dieſem Grunde ſind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenſo dur<hlöchert wie die Agavenſchäfte. Wenn dieſe Bäume abſterben, löſt ſich die ſie bede>ende Rinde vom _ Stamme und läßt ſo zwiſchen ſi<h und dem Holze des Baumes einen ſehr geräumigen Zwiſchenraum, der ſelbſt wieder zur Vorratskammer, wie die Höhlung der Agavenſchäfte, dienen kann. Unſere Vögel, ſ<hnell bereit, ſih dieſen Umſtand zu nußte zu machen, bohren die abgeſtorbene Rinde voller Löcher und ſte>en Eicheln zwiſchen ſie und das Holz. Aber dies Verfahren ſcheint ihnen niht beſonders zuzuſagen, was leicht erklärlich, indem der allzu weite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieſer natürlichen Taſche fallen läßt, aus welcher die Spechte ſie nahher niht wieder hervorziehen können. Auch habe ih beim Aufheben der durchlöcherten Rindenſtü>e meiſt nur Überbleibſel. von Eicheln gefunden, die am Holze hinabgeglitten waren, während die Spechte ſie in den von außen her hineingebohrten Löchern zerſtückelten. Ganze Eicheln waren darin ſehr ſelten.

„Das im Vorſtehenden geſchilderte Verfahren iſt merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der Wintervorrat ſammelt. Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die ſeiner Gattung ſonſt nicht eigen iſt, und trägt ſie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächſt, die ihm zur Vorratskammer dient. Er verbirgt ſie niht in hohlen Bäumen, niht in Felſenſpalten oder Erdhöhlen, kurz an keinem jener Orte, welche ſih naturgemäß ſeinem Suchen darzubieten ſcheinen, vielmehr in ſhmalen, im Mittelpunkte eines Pflanzenſtengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandenſein er weiß. Zu dieſen Röhren bahnt er ſich einen Weg, indem er das ſie rings umſchließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft er ſeinen Vorrat in ſtrengſter Drdnung auf und bewahrt ihn ſo, ſicher vor der Feuchtigkeit, in einem Zuſtande, der höchſt günſtig auf ſeine Erhaltung einwirkt, geſhüßt zugleih vor Ratten und ſamenſreſſenden Vögeln, die niht im ſtande ſind, dur das ihn umſthließende Holz zu dringen.

„Mehrere kleinere Spechte bevölkern ebenfalls die Savanne des Pizarro; ih habe indes niht ausfindig machen können, ob ſie ein ähnlihes Verfahren beobachten. Jn einer gewiſſen Gegend des Berges ſah man unzählige tro>ene und in Vorratskammern verwandelte Agaven. Es war eine Hauptniederlage von Nahrungsmitteln die ihren Urſprung einem Zuſammenſtrömen ſehr vieler Spechte in jener Gegend verdankte. Wahrſcheinlich iſt es, daß dieſe Vögel ſi< während der tro>enen Jahreszeit in den mit Agaven dicht beſtandenen Strichen zuſammenfinden, wo für ihre Bedürfniſſe im voraus geſorgt iſt, und daß ſie beim Beginne der Regengüſſe ſi< in den Ebenen zerſtreuen, um den Kerbtieren nachzugehen, welche die Natur ihnen dann im Überfluſſe darbietet.“

Über den Jnhalt dieſer anziehenden Schilderung de Sauſſures ſtellt nun W. Mar¡hall folgende Betrachtungen an: „Eine Reihe von Fragen drängen ſih angeſichts dieſer wunderbaren Erſcheinung jedem denkenden, die Thatſachen nicht als etwas einfach Gegebenes hinnehmenden Menſchen von ſelbſt auf. Wie kam der Vogel zu der von vornherein immerhin, wie man meinen ſollte, über das Auffaſſungsvermögen eines Tieres gehenden Kenntnis der Beſchaffenheit der dürren Agavenſchäfte? Was veranlaßt ihn, ſo weit von ſeinem urſprünglichen Heime ſih ſeine Winterſpeicher anzulegen? Jh will verſuchen, auf dieſe noh nicht gelöſten Fragen einige, freilich vielleicht herzlich falſche Antworten zu geben. Daß der Sammelſpecht allerorten, wo er vorkommt, die Neigung hat, Vorräte aufzuſpei chern, ſahen wir. Dieſe Neigung wird ihn in Mexiko einem der an Eichenarten reichſten Lande der Welt, gewiß nicht verlaſſen haben. Dieſe auffallend ſtarke Entwickelung der Eichen hat aber — in der Natur hängt alles in wundervoller Weiſe zuſammen! — auf die Entwielung der Eichhörnchen derartig zurügewirkt, daß Mexiko eines der mit dieſen zierlichen