Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Tukane, Araſſari. 647

jenem im bucſtäblihen Sinne des Wortes den Biſſen vor dem Munde wegzunehmen; alle ſind augenſcheinlich bereit, ſi gemeinſchaftlih auf ihn zu ſtürzen, ſobald er weiter frißt und noch mehr, ſobald er vor den drohenden Gebärden der übrigen ſich flüchtet. Vermag er ſih ſeinen Plag unter der Geſellſchaft niht zu erkämpfen, iſt er mit anderen Worten zu fräftigem Widerſtande zu ſ<hwach, ſo ergeht es ihm übel. Alle fallen über ihn her und ſuchen ihm einen Schnabelhieb auf den Rücken beizubringen. Erkämpſt er ſih in wa>erer Gegenwehr ſeinen Plat, ſo erwirbt er ſih wenigſtens Duldung; flüchtet er, ſo ſtürmen alle übrigen hinter ihm drein, wiederholen, ſowie er ſih regt oder überhaupt irgend etwas thut, den Angriff und ſteigern mit der Zeit ſeine Ängſtlichkeit ſo, daß der arme Schelm nur dit über den Boden hinzufliegen wagt und die Nähe der anderen Genoſſen vorſichtig meidet. Nicht allzu ſelten verliert ein ſo geheßter Pfefferfreſſer infolge der ewigen Angriffe alle Luſt zum Leben, wenn nicht dieſes ſelbſt. Erſt wenn es ihm gelingt, unter ſeinesgleihen ſich einen Freund, vielleicht gar einen Liebhaber zu erwerben, endet der Zwieſpalt. Weibliche Pfefferfreſſer ſind daher in der Regel ungleich beſſer daran als männliche, die nicht allein vom Neide, ſondern au< von der Eiferſucht der übrigen zu leiden haben.

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Araſſaris (Pteroglossus) nennt man diejenigen Arten der Familie, deren Schhnabel verhältni8mäßig lein, ſhlank, rund, gegen die Spiße weniger zuſammengedrüdt, an der Wurzel nicht höher als der Kopf iſt, bisweilen einen mehr oder minder ſcharf abgeſeßten, aufgeworfenen Rand zeigt und an den Schneiden mehr oder weniger gekerbt iſt. Die Naſenlöcher liegen diht am hinteren Rande oder in einem Ausſchnitte des Schnabels, zu beiden Seiten des abgeplatteten Stirnſirſtes. Der Flügel iſt kurz, aber verhältnismäßig ſpibig, die dritte Schwinge in ihm die längſte, der Shwanz lang und keilförmig zugeſpißt, weil die Seitenfedern ſtufig verkürzt ſind. Das Gefieder zeihnet ſi< aus dur< Mannigfaltigkeit der Färbung. Grün oder Gelb werden hier vorherrſchend. Bei manchen Arten tragen die Weib<en ein von den Männchen abweichendes Kleid.

Eine dex verbreitetſten Arten dieſer Gattung iſt der Araſſari der Braſilier (Pteroglossus atricollis, formogus und aracari). Die Grundfarbe ſeines Gefieders iſt ein dunkles Metallgrün; Kopf und Hals ſind ſhwarz, auf den Wangen mit dunkel braunviolettem Anfluge, die Unterbruſt und der Bau blaß grüngelb, eine Binde, die ſih über die Bauchmitte zieht, und der Bürzel bis zum Nücken hinauf rot; der Schwanz iſt von oben geſehen ſ{<hwarzgrün, von unten geſehen graugrün. Das Auge iſt braun, die na>te Augengegend ſchieferſ<warz; der Oberſchnabel hat eine gelbli<hweiße Farbe, und nur der Mundwinfel neben dem aufgeworfenen Rande und der abgerundete Rinnenfirſt ſind ſ<warz; der Unterſchnabel dagegen iſt ganz ſhwarz, mit weißem Rande am Grunde; die Beine ſind grünlichgrau. Die Länge beträgt 44, die Fittihlänge 16, die Shwanzlänge 17 em.

„Der Araſſari“, ſagt der Prinz von Wied, „lebt in allen von mir bereiſten braſiliſhen Urwäldern in Menge und zeigt in der Hauptſache die Lebensart der Tukane. Man ſieht ihn häufig auf den oberſten dürren Zweigen eines hohen Waldbaumes ſißen, von wo aus er ſeinen furzen, zweiſtimmigen Ruf ertönen läßt, der etwa klingt wie „kulik kuli“. Er lebt paarweiſe und außer der Paarzeit in kleinen Geſellſchaften, die nah den Früchten umherziehen. Beſonders in der kalten Zeit, der Reifezeit der meiſten Früchte, verläßt er oft die Waldungen und nähert ſih den Küſten und Pflanzungen, wo man dann ihrer viele erlegt. Das Fleiſch iſt gut, in der kalten Zeit auch fett: Dieſe Vögel fliegen bogen- und ſtoßweiſe, wie alle Tukane, und ſchnellen wenig mit den Flügeln. Wenn ſie in Nuhe ſißen, wippen ſie mit dem Schwanze wie unſere Elſter. Jhr Neſt mit zwei Eiern oder Fungen