Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1
728 Erſte Ordnung: Baumvögel; dreiunddreißigſte Familie: Segler.
Höhle. Folgt man dann mit ſeinen Bli>en dem Spiele des Meeres, das unauſfhörlih auf und nieder wogt, ſo gewahrt man, wie die Öffnung der Höhle oft ganz unter Waſſer verborgen iſt, bald wieder offen ſteht, und wie im leßteren Falle die Schwalben mit Llißesſchnelle aus- und einziehen. Jhre Neſter kleben an dem Felſen tief im Fnneren, an der hochgewölbten, finſteren Dede der Höhle. Sie wiſſen den re<ten Augenbli> an welchem der enge Eingang zur Höhle gerade offen ſteht, geſchi>t zu benugen, ehe ein neuer Berg von Waſſer ihn verſchließt. So oft eine größere Woge ſi< heranwälzt, tritt das Meer mit dumpfem Donner in die Höhle. Die Öffnung iſt dann ganz geſchloſſen; die Luft im Znnerven der Höhle wird zuſammengepreßt, dur das hineingedrungene Waſſer auf einen kleinen Raum zuſammengedrängt und übt nun einen Gegendru> aus. Sobald alſo die Woge hineintritt und die Oberfläche des Meeres am Fuße der Wand wieder anfängt, ſich zu einem Thale hinabzuſenken, offenbart ſich die Ausdehnungsfähigkeit der eingeſ<loſſenen Luft; das hineingedrungene Waſſer wird, größtenteils zerſtäubt wieder herausgeſprißt, herau8geblaſen, kann die noh niht ganz abgezogene Brandung in wagerehter Richtung bis 100 m weit mit Gewalt dur<bre<hen: und ähnlih wie aus einem losgebrannten Ge[hüße der Dampf hervorſchießt ſo fährt nun eine Säule von Waſſerſtaub laut pfeifend aus der Höhle heraus, die bald wieder von einer neuen Woge geſchloſſen wird. Während draußen in einiger Entfernung von der Küſte der tief indigoblaue Spiegel des Meeres ruhig und hell glänzend daliegt, hört es hier am Fuße der Felſenmauern nicht auf, zu kochen und zu toben. Hier bricht ſi das Sonnenlicht in jeder Welle, welche zu Staub zerpeitſht wird, mit wunderbarer Klarheit; hier ſieht man in jeder Säule, welche aus der Höhle geblaſen wird, die glänzendſten Regenbogen hingezaubert.
„Sine ſolche großartige Natur, welche uns merfwürdige Erſcheinungen zur Shau gibt, wie zeitweilig fauchende, blaſende Höhlen und farbige, verſhwindende und wiederkehrende Bogen über der Brandung, eine ſolche Natur muß notwendig von überirdiſhen Weſen belebt ſein: Ganz gewiß wohnen hier unſichtbare Geiſter. Erkundigt man ſih bei den Favanen, ſo vernimmt man, daß die Königin „Loro“ es iſt, die in dieſer Höhle wohnt, der Brandung gebietet, ja über die ganze Küſte herrſht. Dieſe Göttin wird von der Bevölkerung in hohen Ehren gehalten. Jn Rongkap ſteht oben auf der Küſtenmauer in einem Palmen: haine ein ſ{<önes, aus Palmen gebautes Haus, worin kein Sterblicher wohnt, an welchem niemand vorübergeht, ohne ſeine Hände zu ehrerbietigem Gruße an das Haupt zu bringen. Man würde des Todes ſein, wenn man es wagen wollte, dieſes Haus zu betreten. Es gehört der Königin, der es zuweilen behagt, dem Buſen des Meeres zu entſteigen oder ihre Felſenhöhle zu verlaſſen und unſichtbar ihren Einzug zu halten in dieſes Haus, wo ihr das fromme Volk Hausgeräte, Betten und ſchöne Kleider hingelegt hat, deren ſie ſi<h na< Belieben bedienen kann. Nur zuweilen begibt ſi< ein Häuptling der Vogelneſterſammlexr, eine Art Prieſter, in die Wohnung des Geiſtes, um ſie vom Staube zu reinigen, während Weihrauchdampf als frommes Opfer an der Pforte des Hauſes emporſteigt. Kein Laut darf während dieſer Zeit ſeinen Lippen entſchallen, ebenſowenig auch denen der übrigen Favanen, die vor der Wohnung geſchart in banger Ehrfurcht knieen. Wird zur Zeit der Neſterernte eine Feſtmahlzeit gehalten, hat man zwiſchen den Gebüſchen vor dem Hauſe reinliche Matten auf dem Grasboden ausgebreitet und mit Speiſen beſeßt, ſo wird erſt die Göttin angerufen, damit ſie Plat an der Tafel nehme. Jt das Gebet geſprochen, ſo werfen ſih alle Anweſenden nieder, um der Königin Zeit zu laſſen, wie ihr gefallen möchte, von den Speiſen zu koſten, und ſei es auh nur die nährende Kraft, die ſie aus ihnen ſaugt. Nachher aber thun an dem übriggebliebenen, größeren Mahle die Javanen ſich gütlih, während im Hintergrunde der Gamelan ſeine harmoniſchen Töne erklingen läßt und gutherzige Fröhlichkeit das Feſt belebt.“
FE PB A LBE M ZF