Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, str. 806

T2d Zweite Ordnung: Webſpinnen; fünſte Familie; Wolfsſpinnen.

leiden an Erbrechen, einige tanzen, andere ſ{<wißen, no<h andere bekommen Zittern oder Herzpochen, und andere werden von anderen Beſchwerden befallen, zu denen auch gehört, daß ſie den Anbli> der ſ{<warzen und blauen Farbe niht ertragen können, während die rote und grüne ſie erfreut. Um die „Tarantulati“ zu heilen, ſpielt man ihnen auf irgend einem Fnſtrument zwei Melodien vor, die „Paſtorale“ und die „Tarantola“, Tänze, welche aufs ſorgfältigſte in den verſchiedenen Werken über dieſen Gegenſtand aufgezeichnet ſind. Darauf fängt der Kranke an zu tanzen, bis heftiger Schweiß ausbriht und völlige Erſchöpfung ihn zu Boden wirft. Man bringt ihn zu Bett, läßt ihn ausſ{<lafen, und na< dem Erwachen iſt er geheilt, weiß aber nihts von alledem, was mit ihm vorgegangen iſt. Es treten indes au< Nücffälle ein, welche ſi<h 20, 30 Jahre, ja mitunter während der ganzen Lebenszeit wiederholen. Man behauptet weiter, daß der Biß während der Hundstage am gefährlihſten ſei, von der einen Spinne mehr ſchade als von der anderen, daß die gefährliche Spinne von Apulien keine ſhädlihen Biſſe austeilen könne, wenn man ſie nah Rom oder no< nördlicher bringe. Solche und ähnliche Thorheiten wurden bis in dieſes Jahrhundert hinein niht nur von der Volksmenge, ſondern au< von einzelnen grundgelehrten Ärzten für wahr gehalten, hatten aber den Vorteil, daß mehr und mehr verſtändige Leute ſi<h um das fabelhafte Tier bekümmerten und die Wirkungen ſeines Biſſes auf das richtige Maß zurückführten. Ein polniſcher Edelmann, von Borch, vermochte gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts einen Neapolitaner gegen ein Geſchenk, ſih in ſeiner Gegenwart in den Finger beißen zu laſſen. Die Hand entzündete ſih zwar, die Finger ſhwollen an und ju>ten empfindli<h, aber der Kranke war bald wieder völlig hergeſtellt. Leon Dufour und ſpäter Joſeph Erker beſtätigen nach an ſi ſelbſt gemachten Verſuchen die Unſchädlichkeit des Tarantelbiſſes. Die Auffaſſung des auf den Sommer fallenden Taranteltanzes, il carnayaletto delle donne (feine Frauenfaſtnaht), über welchen die Nachrichten bis zu dem 15. Jahrhundert zurü>reihen, wird eine weſentlich andere, wenn man die Geſchichte des „Sommertanzes im Mittelalter“ weiter verfolgt und erfährt, daß Dänemark, Schweden, England, Frankreich und Deutſchland ganz ähnliche Erſcheinungen aufzuweiſen haben wie die Tarantola der Ftaliener. Alle Tanzzüge damaliger Zeiten werden von einem Fohannistanz übertroffen, der mit dem Tarantelſtich nihts gemein hat und 1374 am Rhein, an der Moſel und in den Niederlanden ſein Unweſen trieb. Jung und Alt, Männex und Frauen wurden von der Krankheit ergriffen, verließen Haus und Hof und zogen tanzend von Stadt zu Stadt. Aachen, Köln, Mes, Maaſtricht, Lüttich und andere Orte werden namhaft gemaht, wo man auf den Straßen, in den Kirchen und an anderen geweihten Pläßen mit wilden, raſenden Säßen tanzte, bis man vor Erſchöpfung niederfiel. Zucht und Sitten kamen bei dieſer wilden Naſerei vollkómmen in Vergeſſenheit. Unter dem Namen des St. Veitstanzes trat dieſe Tanzſeuche anderwärts, und nah und na< an Ausdehnung verlierend, in ſpäteren Zeiten, und zwar teilweiſe mit Wallfahrten in Verbindung, immer wieder einmal auf.

Neuerdings hat man den Linnéſchen Beinamen tarantula der Apuliſchen Tarantel zum Gattungsnamen erhoben und unter demſelben alle Wolfsſpinnen zuſammengefaßt, welche in folgenden Merkmalen übereinſtimmen: die vordere Kopffläche fällt ſteil ab und trägt verhältnismäßig hoh oben auf einer Querſchwiele die vier vorderſten, faſt unter ſich gleihen und kleinen Augen. Die Stellung aller gleicht ſehr der der vorigen Gattung, nur mit dem Unterſchiede, daß die hinterſten einander und den vorderen beiden großen Augen etwas näher ſtehen als dort. Die Füße tragen eine ungezahnte Vorkralle. Meiſt drei helle Längsbänder auf dem Vorderleibe, dunkle, oft verwiſchte, einander folgende Mondfle>chen oder ein fkegel- oder ſpindelförmiger, dunkler Längsfle> ſtatt ihrer zwiſchen den ſtaubig verdunkelten Seiten des Hinterleibes ſowie oft ein ſhwarzer Bau und meiſt unten am