Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

26 Zweite Ordnung: Webſpinnen; ſe<hſte Familie: Springſpinnen.

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ihren Bereich kommt. Dann aber überraſcht ihre Beweglichkeit und Gewandtheit um fo mehr, als der formloſe Klumpen nichts weniger als ein lebendiges Weſen vermuten ließ.

Der Mangel der Kralle an den weiblichen Taſtern und ‘der Vorklaue an den Füßen, deren wahre Klauen ſ{lank und furz gekämmt, die äußeren bisweilen ſogar zahnlos und mit Büſcheln federartiger Haare verſehen ſind, das Springvermögen und die eigentümlichen Größenverhältniſſe der Augen charakteriſieren die lezte Familie, welche man unter dem Namen der Spring- oder Tigerſpinnen (Saltigradae, Attidae) zufammengefaßt hat. Die vier Augen der vorderen Reihe, beſonders die beiden mittelſten, ſind ſehr groß, die äußeren Vorderaugen und die hinterſten Scheitelaugen in Größe und mit wenig Ausnahmen (Zalticus) auch in den gegenſeitigen Abſtänden einander gleih, während ſi< die’ faſt geradlinig zwiſchen jenen ſtehenden Seitenaugen dur< beſondere Kleinheit auszeihnen. Die Beine ſind ſtark und erreichen ihre bedeutendſte Länge im hinterſten Paare. Die mehr kleinen, niht ſel: ten zierlih bunt gezeihneten Spinnen bauen an Pflanzen oder Steinen ein ſeidenes Neſt in Geſtalt eines eiförmigen oder runden Saes, in welchem die Weibchen ihre Eier aufbewahren.

Schon in den erſten Frühlingstagen erſcheint an ſonnigen Mauern, Bretterwänden, Fenſtern 2c. die Harlekins-Hüpfſpinne (Salticus [Epiblemum] scenicus). Suchend ſpaziert ſie hin und her, nath einer Fliege, einem Mülein ausſchauend. Hat ſie ein Dpfer erſpäht, ſo ſchleicht ſie unter Umſtänden noh etwas näher heran und ſit demſelben mit einem Sprunge, dabei einen ihr Herabfallen ſichernden Faden hinter ſich ziehend, auf dem Nüen. Ein, zwei Viſſe machen die überraſchte Fliege ſhnell widerſtandsunfähig; nun ſteigt die Spinne herunter, hält jene vor ſih und ſaugt ſie aus, wobei ſie, vorſichtig jeder ihr nahenden Störung ausweichend, ſi< bald re<ts, bald links wendet, ein Stü fortläuft, je nachdem es die Verhältniſſe ihr gebieten. Die Bewegungen dieſer Spinnen haben teilweiſe etwas höchſt Komiſches; und wer ihnen einige Aufmerkſamkeit ſchenkt, wird Schlauheit und einen förmlichen Angriffsplan, um ſih einer Mü>ke zu bemäthtigen, kaum verkennen. So kann beiſpielsweiſe die hölzerne Handhabe einer Freitreppe, eines Geländers den Schauplaß für das Treiben der Spinne abgeben. An der Sonnenſeite ſeßen ſih Fliegen und andere Jnſekten gern an, auf der entgegengeſeßten Seite lauert aber ſhon eine Hüpf: ſpinne, als wenn ſie es wüßte, daß für ſie hier ein guter Fangplag ſei. Von ihrem Standpunkt kriecht ſie über die Handhabe hinweg, um gerade oben über der Fliege, die ſie jenſeits weiß, zu erſcheinen und vom höheren Standpunkt aus auf ſie den Sprung zu unternehmen. Sie hat aber die Richtung verfehlt, kommt vor oder hinter dem Schlachtopfer auf der Höhe an; unvermerkt ſtiehlt ſie ſi<h wieder hinab, ſucht den Fehler gut zu machen und erſcheint jeßt, genau der Fliege gegenüber, abermals auf der Oberſeite der Handhabe. Die Fliege wandelt aber ſorglos ihren Pfad und beginnt ſoeben von neuem damit. Fn gleihem Abſtand marſchiert die Spinne neben ihr, dreht ſih wie jene, und man ſollte meinen, beide

HarlekinS-Hüpfſpinne (Salticus scenicus): a Weibhen, b Männwhen, vergrößert; e natürlihe Größe und Augenſtellung in der hinteren Anſicht.