Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

Gemeiner Holzbo>. 735

auh das immer kleinere Männchen ein Weibchen zu finden, um ſih mit demſelben zu paaren. Dieſer Hergang bietet ein hohes Fntereſſe und wurde bis auf die neueſte Zeit nicht richtig aufgefaßt. Das Männchen beſteigt den Bauch des Weibchens, kehrt ſi<h mit ſeinem Kopfende nah dem Hinterende von dieſem, breitet ſeine Beine platt aus, hält ſi< mit den Krallen und Haſtlappen an den weiblichen Hüften feſt und ſchiebt ſeinen Rüſſel in die weiblihe Scheide. Hier hält es ſi<h genau in derſelben Weiſe feſt, wie ein blutſaugendes Weibchen im Fleiſhe des Wohntieres oder Menſchen, und man nahm an, daß bei dieſer Art der Verbindung, welche ſhon Degeer kannte, die männlichen Geſchlehtsteile ihren Ausgang in den Rüſſel nehmen müßten. Dem iſt aber nicht ſo. Pagenſtecher hat vielmehr anatomiſ<h na<hgewieſen, daß die inneren Geſchlechtsteile bei Männchen und Weibchen demſelben Vildungsgeſeße folgen, und daß auch bei jenem der allerdings engere und undeutlichere Ausgang an der Bruſt liegt. Es iſt alſo niht anders denkbar, als daß durch die Anheftung des Männchens ſeine Geſchlehtsöffnung der weiblichen Scheide nahe genug gebracht wird, um die Samenflüſſigkeit in dieſe eintreten laſſen zu können. Der Prediger Müller in Odenbach, welchem wir zahlreiche, ebenſo intereſſante wie zuverläſſige, auf Kerfe bezüglihe Beobachtungen verdanken, hatte ſeiner Zeit auh dieſem Gegenſtande ſeine Aufmerkſamkeit zugewendet und berichtet unter anderem eine Erfahrung höchſt eigentümlicher Art. Er beabſichtigte ein gepaartes Männchen von dem Weibchen zu trennen, um es mit einem zweiten zuſammenzubringen, da ihm aber die Trennung nicht gelang, verſuchte er das Weibchen zu töten, in der Meinung, das Männchen würde dann freiwillig loslaſſen. Er ſtach zu dieſem Zwede das Weibchen mit einem ſpißen Federmeſſer in den vermeintlichen Kopf, ohne dabei dem Männchen irgendwie zu nahe zu kommen Sofort fing dieſes an zu zittern, die Veine zu krümmen und ſtarb, mit dem Weibchen feſt vereinigt, nah wenigen Minuten unter krampfhaften Zu>kungen, während das verwundete Weibchen erſt nah einigen Tagen zu leben aufhörte. Später ſah er ein Männchen ſi< mit drei Weibchen nacheinander vereinigen und auf dem leßten 5 Tage und Nächte verweilen. Aus der angeſchwollenen Scheide des befruchteten Weibchens dringen die Eier in Menge hervor, kleben zuſammen und hüllen es teilweiſe ein.

Der gemeine Holzbo>, die gemeine Hundsze>e (Ixodes ricinus), auf welche ſih die vorangegangenen Beobachtungen beziehen, ward ſhon von Ariſtoteles unter dem Namen „Kroton“, von Plinius als „Nicinus“ angeführt; lezterer bemerkt gleichzeitig, wie dieſe Bezeichnung, zunächſt für den ölreihen Samen des Wunderbaumes aus Ägypten geltend, auf dieſes verhaßte Tier übertragen worden ſei. Wenn Plutarch in feiner Weiſe mit dem Nicinus die Shhmeichler vergleichen konnte, die ſih mit Lob in das Ohr drängen und niht wieder auszutreiben ſind, wenn ſie ſi einmal dort feſtgeſezt haben, ſo läßt ih wohl annehmen, daß ſeinen Zeitgenoſſen jenes Tier ſamt ſeinen Gewohnheiten niht fremd geweſen ſein kann. Nachdem Degeer den Namen Ricinus an eine Lausgattung vergeben hatte und Acarus die Milben überhaupt bezeihnete, nannte man die in Rede ſtehende Art Acarus ricinus, bis Latreille, in die Notwendigkeit verſ et, mehrere Milbengattungen zu unterſcheiden, ſie Txodes ricinus nannte. Ixodes bedeutet aber ſo viel wie: „kleberig“,

“ „anhaſtend“. Die Hundsze>e läßt ſih niht mit wenigen Worten kenntlih beſchreiben; denn Pagen ſteher nimmt in ſeiner trefflichen Arbeit über dieſelbe („Beiträge zur Anatomie der Milben IT.) drei Entwi>elungsſtufen mit ſieben verſchiedenen Formen an und hält es für mehr als wahrſcheinlih, daß darunter ſolche begriffen ſeien, welche von früheren Schriftſtellern als vermeintliche andere Arten mit verſchiedenen Namen belegt worden ſind. Im erſten Fugendzuſtande (Fig. a) zeigt die Zeke nur ſehs Beine, keine Geſchlehtsunter1chiede und keine Platte mit dem Luſtloche, ja bei genauer anatomiſcher Unterſuchung ſtellte ſi fogar der Mangel aller Atmungswerkzeuge heraus, ein Uniſtand, in welchem alle übrigen