Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, str. 270

930 Muſchellinge. Zweite Klaſſe: Armfüßer.

in die Leibeshöhle münden und Eier ſowie Samen nah außen leiten. Wir erwähnen dieſes minutiöſe anatomiſche Detail, weil aus der Vergleihung der zwei Trichter mit den ſogenannten Segmentalorganen der Würmer ein Hauptbeweisgrund für die Verwandt: ſchaft beider Gruppen hergeleitet worden iſt.

Dieſe Verwandtſchaft wird nun ganz weſentlih au<h durch die Entwickelungs- und Verwandlungsgeſch.hte der Armfüßer bekräftigt, daher wir, ehe wir das Vorkommen und Stillleben einiger Gattungen ſchildern, dieſe Verhältniſſe näher beleuhten. Früher beſaß man nur über die unten näher beſchriebene mittelmeeriſhe Brachiopode, Thecidium mediterraneum, dur< den Pariſer Zoologen Lacaze-Duthiers einige nähere Kenntnis, aber nux bis zu einer Stufe, von wo aus die weitere Entwi>elung niht erſchloſſen werden konnte. Die Eier, welche ſi< entwi>eln ſollen, geraten in eine von dem unteren Mantellappèn gebildete Taſche. Jn dieſelbe ſenken ſi<h auch die beiden zunächſt liegenden Armfranſen, welche di>er werden und gegen ihre Enden zu ein paar Wülſten anſhwellen, um welche ſich die Eier gruppieren, und mit welchen jeder Embryo vermittelſt eines kurzen Bandes geradezu verwähſt. Der Embryo erhält nun, nachdem er ſich zuerſt wie eine Semmel geſtaltet hat, das Anſehen von einem kurzen (a) plumpen Ringelwurm. Nebenſtehende Abbildung zeigt den am weiteſten vorgeſhrittenen Zuſtand, welcher von Lacaze-Duthiers beobachtet wurde. Der obere Fortſaß iſt der vom Na>en ausgehende Stiel, dur<h welchen das kleine Weſen an die in die Bruſttaſche ragenden Armfranſen befeſtigt iſt. Der vorderſte kleinere Abſchnitt nimmt ſi<h aus wie ein Kopf; er trägt vier Augenpunkte und eine Vertiefung, den künftigen Mund. Zwei diere mittlere Abſchnitte ſind von einem vierten kleineren fortgeſeßt, alle mit Flimmercilien beſeßt.

Morſe und Kowalewsky haben gezeigt, wie die

i 1h ' Verwandlung vor ſi geht. Der hinterſte Abſchnitt wird Eniwid lungh fn e e ¿um Anheften benußt, der Kopf und der kragenartige

Ring ſenken ſi in einen Aufſchlag hinein, welcher von dem folgenden Ninge gebildet wird. Dieſer Aufſchlag wächſt mehr und mehr nah oben und bildet die ſo oft dem Hautmantel der Muſcheln verglichenen beiden Lappen, von denen die Abſonderung des Gehäuſes ausgeht. Die Abbildung b zeigt, wie das junge Thecidium, ſich in ſi zurücfziehend, gleihſam Abſchied nimmt vom bisherigen freien Leben, um von nun an in fremdartiger Geſtalt ſi einer einſiedleriſhen Beſchaulichkeit zu ergeben. Verfolgen Wir dieſe Verwandlung in ihren Hauptſtufen an Kowalewskys Hand noch an einer anderen Gattung, Argiope. Wir ſehen in Figur a ({. Abbildung S. 231) die dreigeteilte Shwärmlarve. Der mit Flimmern beſeßte Schirm entſpricht dem Kopfe und dem Kragenſegmente des Thecidium. Der mittlere, größte Körperabſchnitt birgt zwei Muskeln, die ſpäter ſih nah dem Stiele herabſenken. Die nach unten gerichtete kreisförmige Hautfalte mit den hervorſtehenden Nadelbündeln trägt noch kein Zeichen ihrer ſpäteren Umſtülpung an ſich, wie denn auch das Hinterende, einfach abgerundet, noc nicht ſeine künftige Verwandlung zum Stiele verrät.