Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, str. 274

234 Muſchellinge. Zweite Klaſſe: Armfüßer.

angewachſenen Schalen ſih bezüglih der Entwi>kelung von Paraſiten wie jede andere Unterlage verhalten. Aber niht nur die Außenſeite wird von ſolchen Weſen eingenommen; die Klappen werden vielmehr in allen Richtungen durchbohrt von paraſitiſchen Algen, welche mitunter dem Gehäuſe ein grünliches Ausſehen verleihen.“ Dieſe lebte Bemerkung von Lacaze-Duthiers möchte ih dahin berichtigen, daß niht Algen, ſondern vorzugsweiſe die ſogenannten Bohrſhwämme in die Klappen der Thecidien wie in die der Weichtiere eindringen.

Die Familie der Terebratuliden iſt zwar nicht in den älteſten der ſogenannten paläozoiſchen Schichten nachgewieſen, dagegen in denjenigen, welche den Namen der devoniſchen führen. Man kann es nun für eine merkwürdige Apathie oder au<h Zähigkeit halten, daß einige Sippen, wie Terebratula und Waldheimia, dur alle Formationen hindur< bis in die heutige Welt unverändert hineinreichen, nicht als die alleinigen Zeugen der Urwelt aus ihrer Klaſſe, ſondern mit den Nepräſentanten von noch vier Familien. Während dieſe leßteren aber, je jünger die Formationen werden, um ſo mehr ausſterben, und, wie der vorzügliche Kenner der Klaſſe, Sueß, ſagt, die Gattungen Rhynchonella, Crania, Discina und Lingula als „die einzigen Vertreter ihrer Familien in allen mittleren und jüngeren Zeiten vereinzelt daſtehen wie entblätterte Wipfel“, hat in der Familie der Terebratuliden das Umgekehrte ſtattgefunden, ihr Baum hat Zweige getrieben bis in die jüngſten Perioden der Erde, und ſie zählt jeßt zehn Sippen, deren Verbreitungsbezirke ſih über alle Meere erſtre>en. Sie ſind vorherrſchend Bewohner größerer, wenn auh niht, wie man früher glaubte, größter Tiefen, wie überhaupt die meiſten Armfüßer, deren Gehäuſe ſtärker kalthaltig, ziemlih di> und undurchſichtig ſind.

Eine zweite Familie, welche in noch geologiſch älteren Schriften als die vorige wurzelt, in der Gegenwart aber nur dur vier Arten vertreten wird, iſt die der Nhynchonelliden, ſo genannt von der wichtigſten Sippe, Rhynchonella. Sie eben iſt es, welche zu den älieſten und verbreitetſten Drganismen gehört, da ſie von den ſiluriſhen Zeiten an dur< alle Formationen reicht. Die no< lebende Rhynchonella psittacea zeigt am beſten den harakteriſtiſhen ſ{nabelförmigen Fortſaß der Bauchklappe. Die Öffnung für den Stiel befindet ſi< unterhalb dieſes Schnabels. Die Klappen ſind miteinander befeſtigt wie bei den Terebratuliden; das Armgerüſt beſteht aber nur aus zwei kurzen, ſ<hmalen, gekrümmten, ſchalenförmigen Plättchen, die an der Scheitelgegend der leinen Klappe befeſtigt ſind. Über Vorkommen und Lebensweiſe der genannten Art hat Barett auf ſeiner ſkandinaviſchen Reiſe einige Beobachtungen geſammelt. „Sie findet ſih lebend niht beſonders häufig in den nördlichſten Gegenden, nämlih bei Tromſoe in einer Tiefe von 70 — 150 Faden; Klappen ohne das Tier ſind bei Hammerfeſt im Schlamme geſammelt worden. Dieſe Art ſchien mix ſehr ſchwer zu beobachten, da das Tier, für alle Eindrücke beſonders empfänglich, bei der geringſten Bewegung ſeine Klappe ſchließt. Die Arme erweitern ihre Spiralgänge genugſam, um die Franſen bis an den Rand der Schale gelangen zu laſſen. Jch habe dieſe Art oft bei klaffenden Klappen beobachtet, nie aber habe ih geſehen, daß ſi ihre Arme entrollt und aus der Schale hervorgeſtre>t hätten.“

Wenn mir ferner die Sippe Crania mit in unſere Betrachtung hineinziehen, ſo geſchicht es auh niht, weil ihre Lebensverrihtungen intereſſante Momente böten, ſondern weil ihre geologiſche und gegenwärtige Verbreitung dazu auffordert. Sie iſt ſo abweichend, daß ſie für ſi allein eine Familie bildet. Jhre Schale iſt nämlich an unterſeeiſhe Körper mit der Bauchklappe aufgewachſen. Die Rüenklappe iſt de>elförmig, und beide werden nicht dur ein Schloß oder Einlenkungsfortſäße, ſondern lediglich dur< Muskeln aneinander