Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, str. 561
Klettenholothurie: Selbſtverſtümmelung und Lebensweiſe. DIM
hier verdi>t es ſih und erweitert damit dieſes und ſo wiederholt ſich der Vorgang, bis das Tier ſich ganz eingegraben hat, was ziemlich hurtig vor ſi geht: eine etwa 100 mm lange Synapta inhaerens iſ in weniger als 1 Minute im Boden verſ<hwunden. Die Klettenholothurien find übrigens ſehr wähleriſch und graben ſih nicht in jeden beliebigen Schlamm ein. Solcher, in dem Ringelwürmer ſih noch ſofort verkrochen, und der niht im mindeſten ſtank, war ihnen zuwider und anſtatt ſich in ihm einzubohren, krochen ſie mit allen Zeichen des Unbehagens umher, offenbar einen anderen Aufenthaltsort ſuchend. Die Wandungen des gegrabenen Kanals fallen niht zuſammen, wenn ihn das Tier verläßt, was auf einer Schleimabſonderung auf deſſen Körperoberfläche beruht. Jn dieſen Löchern ſißen die Tiere im Meere mit dem hinteren Ende voran, während das vordere, wenn alles ſicher erſcheint, herausſchaut und ſeine Tentakeln ſpielen läßt. Bei der geringſten Erſchütterung des umgebenden Waſſers und des Bodens aber zieht ſich die Synapte zurü>. Beim Eintritt dex Ebbe, welche ſie oft genug an den Geſtaden des Atlantiſchen Ozeans überraſcht, drehen ſie ſih in dem Loche um, ſo daß der Kopf nach unten gerichtet iſt.
Die Tentakeln dienen einer ganzen Reihe von phyſiologiſchen Leiſtungen, beſonders aber der Atmung. Jn ihren inneren Hohlräumen herrſcht eine außerordentlich lebhafte Zirkulation; fortdauernd ſieht man in raſchem Tempo die Blutkörperchen durch die Wimpern der Gefäßwandung von der Baſis zu den Endſpißen der Tentakeln emporgewirbelt werden.
„Ferner dienen die Tentakel dem Anheſten, d. h. die Synaptide heftet den Tentakel an einen Körper und zieht ſih entweder zu dieſem, oder wenn derſelbe klein iſt, leßteren zu fih heran. Jn erſterem Falle entſteht Lokomotion, im zweiten Ergreifen von Sand und Nahrungsteilchen.“ Daß die Tentakeln auh beim Eingraben eine weſentliche Nolle ſpielen, wurde erwähnt. Der Taſtſinn, der bei den Klettenholothurien re<ht gut entwi>elt zu ſein ſcheint, hat ebenfalls außer in der Haut ſeinen Siß ganz beſonders in den Spigen der Tentakeln. Auch an ihrer Baſis liegen kleine Organe, welche ihrem gröberen und feineren Baue nah als Geſhmad>s- oder Geruhsorgane anzuſehen ſein dürften.
Scharf von dem Anheftungsvermögen der Tentakeln iſt das eigentliche „Kletten“ unſerer Tiere, das Haſtvermögen des Körpers, welches dur< das Hervorſtehen der Kalk-:Anker bedingt wird, welche indeſſen die oberſten Hautſchichten niht durchbrechen, ſondern ſie bloß hervorwölben. Dieſes Vermögen erhält ih auh noch einige Zeit nah dem Tode des Tieres, hört aber ſofort auf, wenn man dasſelbe mit Säuren, welche den Kalk auflöſen, überſchüttet. Auch die wurmförmigen Bewegungen der Synapten beim Kriechen ſeinen durch die Kalfkörperhen unterſtüßt zu werden, wa3 Semper freilih bezweifelt.
Vis zu einem gewiſſen Grad ſcheint die Fähigkeit zu kletten vom Willen des Tieres abzuhängen, und wahrſcheinlih wird ſie durh Schleimabfonderungen der Haut je nah Bedürfnis aufgehoben, welche z. B. auh nah Reizen ‘oder nah dem Tode der Klettenholothurien ſofort aufhört. Nie bleiben ſie hängen, wenn ſie auf dem Sande oder über Artengenoſſen hinwegkriechen aber ſofort nah einem Neiz dur< unſanfte Berührung.
Einzelne Synaptenarten der ſüdlichen Meere werden ſo groß, daß ſie von den Juſelbewohnern „Seeſchlangen“ genannt werden. So ſah Semper bei der JFnſel Bohol Exemplare der Synapta Besselii von über 2 m Länge. „FJhre Bewegungen ſind äußerſt langſam. Fn mehrfachen Windungen liegen ſie zwiſchen den Steinen und im Sande der Niffe und bewegen ſi teils dur< die bekannten wellenförmig von vorn nah hinten fortſchreitenden Kontraktionen ihres Leibes wie ganz beſonders mit Hilfe ihrer Mundtentakeln fort. Jhre Anker ſind ihnen entſchieden keine BewegungSsorgane. Haben ſie dieſelben einmal irgendwo eingehakt, ſo können ſie ſi< nur dur den Verluſt derſelben wieder befreien. Allerdings ſind die Anker beweglih und hebeln auf dem Bügel der Ankerplatte, aber ſie entbehren aller und jeder Muskeln, die ihre Bewegungen unter den Willen des Tieres