Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, str. 689

626 Hohltiere. Dritter Unterklreis: Shwämme.

Subſtanz ablöſen, welche dem bloßen Auge nicht die geringſte Spur von Bewegung zeigen, ſi< wochenlang in größeren Glasgeſäßen ebenſo paſſiv verhalten und, an der Sonne ſchnell eingetro>net, ihre Geſtalt im ganzen behalten, ſi< aber leiht zu Staub zerdrü>en laſſen. Das Mikroſkop zeigt, daß dieſer Staub größtenteils aus zweiſpißigen feinen Kieſelnadeln beſteht. Wir ſind ſo klug als wie zuvor. Alſo ans Meer, wo Spongien in Fülle vorhanden! J< will den Leſer an einige Stellen des Adriatiſhen Meeres und zu den FJoniſchen Fnſeln führen. Bei Leſina, der Stadt auf der Fnſel gleichen Namens, liegt herrlih auf einem Felſenvorſprunge am Meere ein Kloſter, deſſen Gaſtfreundſchaft mir oft zu teil geworden. Die Klippen werden bei der Ebbe ſo weit frei, daß man ſie betreten und auf ihnen ſammeln kann. Sie ſind ſtellenweiſe, nämli<h auf einer Ausdehnung von 10—20 qm, dicht von einer 0,5—2 cm di>en Kruſte von weißlicher Farbe überzogen, die man leiht in Stü>en ablöſen kann. Fndem man dieſelben auseinanderbröelt, ſieht man, daß ſie teils aus unregelmäßig geſtalteten, teils kugeligen und flaſchenförmigen Körpern zuſammengeſeßt iſt, die ein Leben erſt dann verraten, wenn man feinzerteilten Farbeſtoff ins Waſſer in ihre Nähe bringt. Durch denſelben werden Strömungen ſichtbar, welche von den größeren Öffnungen der weißen Körper ausgehen und dur irgend welche Vorrichtungen im Fnneren dieſer Körper, Kalkſhwämme, verurſacht werden müſſen. Alle dieſe Kalkſhwämme ſind hart und rauh anzufühlen oder zeigen wenigſtens, wenn ſie von weicherer Beſchaffenheit ſind, eine rauhe, ſtachlige Oberfläche. Schon mit der Lupe erkennt man, daß ſie mit ſtachelartigen und ſternförmigen Hartgebilden erfüllt ſind. Jm ganzen ſehen ſie mehr wie Gewächſe als wie Tiere aus; ſelbſt jene bei der Berührung ſ{<windenden Kelche und Blumen, welche wenigſtens die Lebendigkeit der Polypen verraten, fehlen hier.

Wir wollen aber unſere Reiſe fortſeßzen und laufen in den langgeſtre>ten, buchtartigen Hafen von Argoſtoli auf Cephalonia ein. Auf der Stadtſeite, alſo re<ts vom Eingange her, hinter der Brücke, wo die Bucht ſich zu dem von vielen Quellen geſpeiſten bra>iſhen Sumpfe verengert, finden wir eine Uferſtre>e, die von der Waſſerlinie an bis wenige Fuß unter dem Spiegel in blauen und rötlichen Farben prangt. Die den Stein infruſtierenden Gebilde, welche den ſ{<hönen Anbli> gewähren, laſſen ſi< leiht in Kuchen von der Ausdehnung mehrerer Handflächen abheben. Die Unterſeite ſhmiegt ih der Unterlage an, die Oberfläche iſt wellig und mit berg- oder röhrenförmigen Hervorragungen verſehen, auf deren Gipfel je eine einige Millimeter meſſende Öffnung ſich befindet. Auch hier können wir uns dur das bei den Kalkfſhwämmen angewendete Mittel von den Strömungen überzeugen. Unſere Einſicht in die Natur dieſer Körper iſt jedo<h abermals niht gefördert worden. Laſſen wir ſie eintro>nen, ſo ſhwindet gar bald ihre Schönheit, es werden graue, ſchilferige, unförmliche Stücke, welche ein dihtes Neßwerk von mikroſkopiſchen Kieſelnadelu enthalten und, ſo viel wenigſtens wird offenbar, mit den Spongillen des ſüßen Waſſers verwandt ſind, von denen wir ausgingen.

Auch das iſ uns klar geworden, daß, um die wahre Natur dieſer weitverbreiteten und namentli<h in allen Meeren, in allen Tiefen vorkommenden Organismen zu erkennen, die Bekanntſchaft mit ihrer unbeſtändigen äußeren Form und die hierauf geſtüßte Vergleichung mit anderen Lebeweſen niht ausreiht. Sehen wir von einigen älteren engliſhen und italieniſhen Naturforſchern und von Espers?, des Erlanger Profeſſors, Naturgeſchichte der Pflanzentiere ab, ſo wurden die Spongien, weil ihnen niht recht beizukommen war, faſt vernachläſſigt, bis 1856 Lieberkühn die feinere Struktur unſeres Süßwaſſerſhwammes und einige Jahre ſpäter die einiger Meerſhwämme enthüllte, und bis ein engliſcher privatiſierender Naturfreund, Bowerbank, ſeine beſondere Aufmerkſamkeit der unglaublichen Formenmannigfaltigkeit der kieſeligen und kalkigen Hartteile der Schwämme widmete.