Charakterologie

256 Die Erblehre des Charakters

vereinigt beide in jich. Phänotyp meint dann alles das, was ein Menjch in jeinem individuellen Leben zur Erjcheinung bringt, aljo das, was er ausprägt, was er in jichtbar werdende leibliche oder jeeliiche Gejtalt umjeßt. Genotyp meint dasjelbe Individuum, jofern man es als Träger des Anlagebejtandes auffaßt, und gerade von dem, was er daraus macht, abliebt. Dieje Unterjcheidung hat recht eigentlic) erjt die moderne Erblehre in Bewegung gejeßt, jie rubt auf der epochalen Entdedung des Paters Alendel, der bei der Züchtung von Erbjen die hodhinterejjante Entdedung machte, daß eine Pflanze außer den jichtbar werdenden Eigenjchaften noch andere in jic) trägt, die gar nicht als Eigenjchaften hervortreten, jondern, ohne jid) in dem individuellen Leben der betreffenden Pflanze überhaupt zu zeigen, weitergegeben werden an die Kindesgeneration, in der jie dann plößlicy überrajchend fich realijieren. Wir geben gleic) ein Beijpiel aus der Erblehre des Menjhen: Zwei Eltern fönnen braune Augen haben und ein blauäugiges Kind erzeugen. Hinter der Braunäugigfeit fonnte in ihnen aber nod) die Einlage zur Blauäugigfeit liegen, die jich bei ihnen nicht realijiert hat, die nicht „Eigenjchaft“ wurde, jondern als bloße Anlage in der Keimzelle aufbewahrt blieb. Hingegen hat die Blauäugigfeit, wie feitgejtellt wurde, niemals die Anlage zur Braunäugigfeit hinter jih. Wenn eine Eigenjchaft in diefer Weije verborgen bleiben fann, ji) aljo nicht zur Erjheinung bringt, gleihwohl als Anlage in der Keimzelle weiterlebt, und in den nädjten Generationen jich verwirklicht, jo nennt man jie „tezejjtv“ und dieje Sorm des Erbgangs einen rezejjiven Erbgang. Dagegen heißen Eigenjchaften, die jo, wie jie in der Anlage weitergegeben werden, auc in Erjcheinung treten, „dominant“, und man jpricht dann entjprehend von „dominantem“ Erbgang. (Blauäugigfeit hat aljo rezejjiven Erbgang, — fie fann unfichtbar hinter der Braunäugigfeit weitergehen auf die Enfelgeneration; Braunäugigfeit hingegen fann nicht hinter Blauäugigfeit verborgen in der Keimzelle als Anlage weiterleben: jie bat dominanten Erbgang. Blauäugigkeit it darum immer ‚reintajjig“, fie verbirgt nichts anderes hinter fich, Braunäugigteit braucht es nicht zu jein, binter ihr fann Blauäugigfeit verborgen jein. — MWohlgemerft „ann“! Es gibt audy Braunäugigfeit, hinter der feine Anlage zur Blauäugigfeit liegt, fie ijt dann ebenfalls „rajjerein“, was man aber beim einzelnen Individuum nicht wiljen fann, weswegen die Braunäugigfeit im allgemeinen genommen feine Garantie bietet, daß jie „rein“ it. „Reintajjig” in diefem Sinne ijt aber fein Wertprädifat, man fönnte aud) jagen, die Braunäugigteit jei mit ihrer Möglichkeit, daß jie auch das Blau als Anlage in fich enthielte, das „Reichere”.)