Charakterologie

Die Steiheitsfrage 257

Wie fan nun auf dem Boden diejer Tatjachen die Sreiheitsfrage beantwortet, wie fann jie überhaupt eritmal richtig gejtellt werden? Der neugeborene Menjd) fommt, wie wir jagten, nicht von irgenöwoher neu in die Welt. Er ijt aljo feine Injtanz, die für fid) gedaht werden fann, und der eine „Erbmajje“ gegenübergejtellt werden Tann, mit der er gleihjam durch feine Geburt „belajtet“ ijt. Zu diejer Auffaljung verführt leicht der Ausdrud „erben“. In unjerem praftijchen Leben erben wir etwa möbel, Bücher, Geld. Das ijt etwas, was uns gegenüberjteht als etwas Stemdes, nicht bisher zu uns Gehöriges. haben wir 3. B. aus Pietätsgründen die Pflicht, ererbte Möbel in unjeren „eigenen“ Wohnungsitil einzubauen, jo fühlen wir uns in bezug auf dieje Erbihaft unter Um= itänden recht „unfrei“ geworden in der Gejtaltung unjeres eigenen Wohnitiles. — Sreiheit und Unfteiheit jegt aljo voraus, da Zweierlei da ilt: wir „jelbjt“ und dasjenige, was uns in der Entwidlung unjeres „Stiles“ bindert. Wir würden es danad) ablehnen, von „jrei” oder „unftei” zu jprechen, wenn es jid} nur um eine Injtanz handelt. Wenn ein Sänger 3.B. Gejangsübungen madhen will, und die Hausbewohner beflagen ji, dann fühlt er jich unfrei durch die zu nehmenden Rüdjichten, er wünjct jih eine Wohnung, wo er „mal richtig ‚frei‘ losjingen fann“. Es wäre aber töricht, wollte er fich unfrei fühlen, weil er nur dann jingt, wenn er fingen will, — unfrei aljo, weil er von jeinem Willen abhängig ijt. Mit Recht würde man fragen, was er denn dann noch „frei“ nennen wollte, wenn er die Abhängigkeit von jeinem eigenen Willen, mit dem er doc) jolidariich ift, ichon unfrei nennt. Der Begriff der Unfreiheit verlangt aljo auf jeden Sall zwei Injtanzen.

Solange dieje beiden Injtanzen jich jo verteilen, daß die eine (die frei oder unfrei fein joll) immer der ganze Menjc ilt, und die andere Injtanz duch Dinge oder Menjchen oder Konitellationen der Außenwelt vertreten wird, ilt alles flar. Dieje Derteilung der beiden Injtanzen aber liegt gegenüber der „Erbmajje“, die wir „mitbefommen“, nicht vor. Da wir nicht als etwas Neues in die Welt fommen, das die Erbmajje, grob gejprochen, als einen „Klo am Bein“ dazubefommt, jo wird damit dieje Stageitellung unmöglich. Wir als ganze lebendige Einheit jtehen nicht der Erbmajje gegenüber, jondern jind fie. Wir jind zwar nicht, wie gezeigt, einfad) eine Neuauflage der vereinigten elterlihen Lebenseinheiten, aber wir iind nichts außer dem, was jich im Augenblid der Zeugung neu gebildet hat. Die Klage, „dab wir unftei wären, weil wir jo jehr viel mitbefommen haben“ von den Eltern, ijt jinnlos, weil fie gleichbedeutend ijt mit der Klage, dab wir unftei wären, weil wir jind, was wir find. — Wollten wir nämlic)

helwig, Charafterologie 17