Charakterologie

Anlage und Eigenjhaft 259

durch die Übernahme nur der Anlagen, und durdy alles, was wir aufzählten, im Auge behält) die Stage, „wieviel“ denn wohl vererbt, wieviel „unjer Eigenes“ fei, nur damit beantworten, daß „alles vererbt it“. Innerhalb diejes gefamten erblich Gegebenen gibt es nun aber noch einen bedeutjamen Unterjchied, der zwar gleichfalls nicht die Steiheitsfrage tragen fann, der aber jehr oft zu einer Grundlage für jie umgedeutet wird und der darum noch furz bejprochen jei.

Es gibt den Unterjhied von Erbanlagen, die jich in den Kindern wieder zu einer jehr ähnlihen Sorm ausprägen, wie jie es im Dater oder in der Mutter taten, — und joldhen, die jehr viele Möglichkeiten der Umfetung in reale Eigenihaften zulajjen. Zwilhen der Eigenjchaft, wie fie fich am Phänotyp zeigt, und der Anlage, aus der fie ji) herausbildet, bejteht aljo eine unterjchieölihe Bindung. So jcheint 3. B. nad) allen Erfahrungen die Eigenjhaft des ausgejprohen Kriminellen mit der Anlage dazu jo feit verbunden, daß es fajt das gleiche ilt, ob wir jagen, jemand habe in lich die Anlage dazu oder er jei es. (Der Unterjchied ijt dann meijt nur ein äußerliher: Umweltbehütung, jcharfe Überwahung, Angjteinflögung vor Strafe ujw. lajjen den Anjchein erweden, als jei die Anlage nicht zur „Eigenihaft" ausentwidelt, — charafterologijch muß man wohl aud in jolhen Sällen die Eigenjchaft anjegen und nicht nur die Anlage.) Indem nun jolhe Anlagen in mehreren Generationen jih an den Individuen wieder zur gleichen Eigenjhaft realijieren, empfindet man jie in hervor-= tagendem Maße als „vererbt“. Weil jie ji in Eltern= und Kindes=generation zur gleihen eigenjhaftlihen Ericheinung bringen, befommen fie — man mödte beinahe jagen: etwas Dingliches, etwas außerordentlit) „Majjives“. Wir jagen auch wohl, jie haben eine große „Durchichlagsfraft”. Sie treten damit jo vor den anderen vererbten Anlagen hervor, dab unjer orönender Geijt beiihnen die Brüde zwijchen Eltern und Kindern viel jtärfer |chlägt. Und der Laie meint mit der Stage: „was jich denn eigentlic) vererbe, und was nicht?" meijt eben dieje Anlagen, die immer wieder zur gleichen Eigenjchaft werden, und er ijt geneigt, da, wo im Phänotyp nicht diejelbe Gejtalt erjcheint, anzunehmen, daß hier feine Dererbung vorläge. Das ijt natürlich faljh. Aber der Unterjhied an fich ift äußert wichtig.

Und ebenjo Tann man in diefem Unterjchied eine gewilje Berechtigung jehen, die Begriffe „frei” und „unfrei” anzuwenden. Zwar nicht genau jo, wie in denjenigen Sällen, in denen wir fonjt im Leben davon |prechen, dab wir frei oder unftei find, denn in diefen Sällen handelt es ich Itets um den Gegenjat von Ic und Nidht-Ih, um einen Gegenjat, der hier

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