Charakterologie

266 Die philojophijchen Charafterlehren

D. Die philofophifhen Charakterlehren.

Jede Einzelwiljenjchaft ruht auf Grundlagen, die jte nicht aus ji) jelbjt gewinnen fanın, und mündet damit in die Philojophie. Einige Wifjenichaften haben aber außerdem ihrem ganzen Inhalt nad) jo viel philojopbijches Gedankengut zu verarbeiten, daß jich neben einer empirijhen Richtung der betreffenden Wijjenjhaft eine deutlich philojophiihe herausbildet. Zu diejen Wilfenjchaften gehört aud) die Charatterologie.

Je umfafjender wir im erjten Anjat der Charafterologie ausholen, um jo deutlicher philojophijch gejtaltet jich die Arbeit. Dom Lebensganzen auszugehen, das Charatterproblem als Teilproblem des allgemein antbro= pologijhen zu nehmen und alles einzelne aus diejen großen Perjpeftiven heraus zu entwideln: das jind die Hauptmerfmale der pbilojophiihen Art, Charakterologie zu treiben.

Don den bisher betrachteten Sorjchern gehört vor allem Klages zu diejer Richtung. Ein noch deutlicheres Beifpiel ijt die Charafterlehre von Häberlin, der wir uns jet zuwenden.

Die Charakterlehre Paul Häberlins.

Häberlin!) geht vom Individuum und feiner Stellung zum Lebensganzen aus. Quantitativ betrachtet ijt das Individuum ein „Teil“, eine „Komponente“ des Gejamtlebens. Qualitativ it es „Modus“ des allgemeinen Lebens. In ihm repräfentiert fi) das Ganze — das Individuum ift derjenige Modus, in weldhem das All-Leben Wirklichkeit wird. Bliden wir vom Individuum auf dies Derhältnis, fo zeigt fich, dak es nicht nur in diejer Stellung zum Lebensganzen „jteht”, jondern von ih aus außerdem Stellung nimmt zu diefem Leben, dejien Teil es it, und zu jic) felbjt, und zu feinem Derhältnis zum Lebensganzen. (Es ijt das, was wir in früheren Abjchnitten die „Selbjtopponierbarfeit” nannten.) Dieje zweite Art der Stellung, die jubjektiv-individuelle Stellungnahme, nennt Häberlin aud die Lebensführung. bierhin gehören die Begriffe

1) Sein charatterologijches Hauptwerk, das hier allein bejprohen werden fann, it: Paul Häberlin, Der Charakter. Bajel 1925. — Charafterologijche Probleme behandeln außerdem: Leib und Seele. Natur und Menjch. Bern 1921. Der Gegenjtand der Pjychologie. Eine Einführung in das Wejen der empitiihen Wijjenjchaft. Berlin 1921. Der Geijt und die Triebe. Bajel 1924. Die neueren Arbeiten Häberlins find rein pbilojophijcher Art.