Charakterologie

Grundfäßliches 19

nad dem „Eigentlihen“ fragen, jtehen wir vor diejer merfwürdigen Indireftheit. Der Baum in diejer Allee ijt nicht die Summe von Wurzeln, äften und Blättern, jondern er „hat“ jie, er bildet jie, bildet jich zu diejer Geitalt. Er „jelbjt“ ijt etwas anderes, ijt die Dynamif, die dies hervorbringt. (Und in der philojophiihen Behauptung, aud) alle anorganijchen Dinge zeigten uns jtets nur die „Erjcheinung“ eines „Anjichs“, das dahinter liege — die Kantijche Wendung des alten Subjtanzproblems —, ijt dieje Imdireftheit dann aud auf das Anorganijdye übertragen.)

Man würde dieje Indireftheit aber nur halb verjtehen, wollte man nun dasjenige, was „dahinter“ Tiegt, die „Seele“, den „Charafter” wiederum nad Analogie des Äußeren denten — als ein zweites Etwas, das, getrennt von jeiner Äußerung, der Handlung, noch als „es jelbit" anjchaubar oder dentbar wäre, das aljo wie ein für fich jelbjtändiger „Quell“ oder „Kraftittom“ „unter“, „binter” der Äußerung läge, und aud getrennt von ihr ihon an fich beftimmte Eigenjchaften hätte. Genau wie die Äußerung nicht das „Eigentlihe” ijt (jondern eben nur die Äußerung des Eigentlichen), jo ijt nämlich diefes Eigentliche an jich Jelbit leer, — es ijt Eigent= liches nur als Gegenjat zu der uneigentlihen Äußerung — it, was es ift, nur bin auf diefe Äußerung. Dorher, abgejehen von ihr, fönnen wir es nur als eine „Möglichteit”, ein Dermögen bezeichnen, ji) in diejen und jenen Äußerungsarten zu verwirklichen. Derjuhen wir, duch Umkehrung der Blidrihtung, dur jogenannte Introjpeftion, uns auf das Innere „direft” zu wenden, jo jehen wir, dak wir überall das gleiche indirekte Derhältnis wieder antreffen. Wir jehen dann etwa Gedanken, Projefte, Gefühlsgeftalten ufw. Aber jie find nicht das „eigentlich“ Innerite, jie fommen ichon als dejjen Produfte aus ihm, weijen damit wiederum indirekt weiter auf das noch Eigentlichere, das jelbjt wieder dahinter liegt. Gedanken, Millensprojette ujw. „ind“ wir nidyt — wir produzieren und „haben” jie.

Das Ic) jelbjt aber ijt niemals auf dem Wege eines Rejtverfahrens zu gewinnen: man behält das Id nicht übrig, wenn man alles abzieht, was wir nicht „Jind”, jondern „nur” haben. Denn „haben“ meint hierbei weit mehr als ein Bejitverhältnis, das immer zweierlei voneinander Trenn= bares zeigt: den Bejißenden und den Bejit. Wollten wir aber den Leib, mit dem wir fühlend, jehend, hörend leben, und die jeeliichen Gebilde, mit denen wir denfend und wollend umgehen, als nicht zum Id) gehörig — jondern nur von ihm „gehabt, benußt“, durchlebt — von der Totalität unjeres Gejamtjeins abziehen, jo bliebe nicht ein lebendiges Ich, jondern ein Nichts. Denn diejes Rejt-Ich hätte feine Sunftionen mehr. Es fönnte nicht wollen, nicht denfen, nicht jehen, nicht hören und nicht fühlen.

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