Das Nordlicht. Bd. 1-2

Ich sehe, wie Leiber die Felsen erklettern,

Und kühne Gestalten im Tale zerschmettern. Verzeiht euerm Seher, ihr treuen Genossen,

Ich habe das Blut holder Unschuld vergossen! Doch seht auch die Flammen der Liebe aus allen, Als feurigen Samen, der Erde entwallen! Bestaunt euern glühenden Gürtel der Zucht, Erwühlt stillen Innenlichts ruhige Wucht!

Ich fühle die Kraft, mich in andern zu fühlen: Es können sich Seelen voll Schauer bespülen, Wir müssen uns freudig das Erdglück versagen Und Wahrheit durch mutige Taten erwagen! Schon schwellen die Fluten. Nun strahlt unser Licht. Hier üben die Gluten im Menschen Gericht!

O seht die Tragödie, nach der ich mich sehne. Jetzt bildet sich rings eine riesige Szene.

Die Berge, die starr in das Wolkenmeer wuchten, Verhüllen nun langsam auch unsere Schluchten: Das Schicksal beginnt sich bereits zu drapieren, Es will nicht sein tiefes Geheimnis verlieren.

Die Tragik trägt nie ihre Nacktheit zur Schau, Ihr Bildnis erscheint uns in marmornem Grau. Die Berge beherrschen das Drama der Täler.

Sie scheinen mir schreckliche Zukunftsverhehler Und hüllen sich nun in ein Dunstgewand ein, Um wortlose Schicksalsbetrachter zu sein!«

So träumt und besinnt sich der sehende Dichter, Dann sieht er im Dämmerschein innere Lichter: Das Wesen der Berge, der Menschen und Dinge, Erscheint ihm, als ob es sich innig verschlinge! Er fühlt seine Seele ums All sich erweitern,

Und Schreckliches kann ihn auf einmal erheitern, Noch tiefer ergreift er das Gold seiner Saiten Und singt voller Milde: „Verschwindet, ihr Zeiten Entwickelter Wünsche und schneller Affekte,

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