Demotische Grammatik
VORWORT.
Die demotische Grammatik von Hrınrıcn Brucschl, die einzige bis jetzt vorhandene Darstellung der in demotischer Schrift überlieferten, etwa vom 7. vorchristl. bis 5. nachchristl. Jahrhundert reichenden ägyptischen Sprache, ist zu ihrer Zeit (vor beinahe 70 Jahren) eine hervorragende Pionierleistung gewesen. In diesem Werke hat der geniale Begründer der demotischen Forschung, zu der CHAMPOLLION durch seine auch das Demotische überall berücksichtigenden Entzifferungsarbeiten den Grundstein gelegt hatte, die grammatischen Ergebnisse seiner ersten Entzifferungen demotischer Texte zusammengefaßt, und man kann dieser originalen Leistung nur die größte Bewunderung zollen. Vieles hat auch heute noch Bestand, aber sehr vieles hat sich inzwischen als unrichtig erwiesen. Vor allem ist unsere ganze Betrachtungsweise der ägyptischen Sprache und ihre methodische Behandlung durch ApoLr ERMAN und seine Schule, insbesondere Kurt SETHES tiefgrabende Forschungen, so umgestaltet worden, daß das einst bahnbrechende Werk von BrucscH heute nur noch historischen Wert hat. So konnte denn auch für eine neue Darstellung der demotischen Grammatik keine Neubearbeitung jenes Buches in Frage kommen, sondern es mußte auf Grund des gegenwärtigen Standes der ägyptischen Philologie eine völlig neue von der Anlage der alten unabhängige Darstellung der jüngsten Phase der in ägyptischer Schrift überlieferten ägyptischen Sprache gegeben werden, die wir ‚demotisch‘“ nennen, die aber nur ein jüngeres Stadium der ,‚neuägyptischen‘ Sprache ist?.
Dazu waren manche Vorarbeiten vorhanden. Um mich auf das wichtigste zu beschränken, nenne ich einmal die verschiedenen Ausgaben und Bearbeitungen demotischer Texte von GRIFFITH und Thompson, die Stories of the High Priests ol Memphis (1900), die Demotic Magical Papyrus of London and Leiden (1909) und das Meisterwerk des Catalogue of the Demotic Papyri in the Rylands Library at Manchester (1909) mit den wertvollen grammatischen Kommentaren. Dann erwähne ich meine eigenen und anderer Autoren (z. B. GEoRG MÖLLERs) Bearbeitungen demotischer Texte in meinen ‚„Demotischen Studien‘ und andere ähnliche Textausgaben®?, deren Glossare vielfach grammatische Abschnitte enthalten, und last not least Sethes vorbildliche Bearbeitung der demotischen Bürgschaftsurkunden (1920), die voll von wertvollen grammatischen Beobachtungen ist. Dagegen gehören EUGENE REVILLOUTS zu ihrer Zeit sehr verdienstliche Arbeiten (die beiden Bände der Chrestomathie demotique, und seine zahllosen Aufsätze in der von ihm fast ausschließlich gefüllten Revue 6gyptologique) bereits der Vergangenheit an. So sehr man den divinatorischen Scharfsinn anerkennen muß, mit dem RevırLour oft den Sinn vor allem juristischer Texte zum ersten Male richtig bestimmt hat, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß seine Übersetzungen vielfach geraten und nie grammatisch begründet waren, wie ja überhaupt seine Arbeiten eines eigentlich philologischen Komınentars fast ganz entbehrten.
So steht diese Grammatik nicht wie ihre Vorgängerin als eine ganz neue Schöpfung da, sondern vielfach als eine Zusammenfassung von mancherlei Vorarbeiten. Vor allem aber ver-
! Grammaire d&motique contenant les principes generaux de la langue et de l’&criture populaire des anciens figyptiens, Paris 1855. ? Vgl. dazu meine Ausführungen ”A.Z. 1924, 8.134. ° Siehe das Nähere in dem folgenden Überblick über die wichtigste demotische Literatur.