Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

(Pf. 57: 184,4 ff); sein Sterben bedeutet für mich das Wesensgesetz meiner Abscheidung: „Dar umbe ist got gestorben, daz ich sterbe aller der welte und allen geschaffenen dingen“ (Pf. 74: 235, 56).

VII. Die Kirche.

Durdı Eckharts gesamte Theologie geht beherrschend der Gedanke, daß Religion polares Einzigkeitsverhältnis ist, „vermittelt“ durch die Wirklichkeit, den Gegenstand „Welt“. Nirgends tritt für das eigentlich religiöse Grundverhältnis Gott — Ich auch nur der Gedanke hervor an die vermittelnde Funktion einer religiösen Heilsanstalt, an die Kirche; ja sie wird ausdrücklich abgelehnt. Die Fürbitte der Kirche für den bedürftigen Gläubigen ist ein innerer Widerspruch, weil Gott ja wesenhaft der Seele zu eigen ist und es keiner äußeren Vermittlung mehr bedarf: „Diu liute sprechent dicke zuo mir: bitent für mic. S6 gedenke ich: wär umbe gänt ir üz? wär umbe blibent ir niht in iu selben unde grifent in iwer eigen guot? ir tragent doch alle wärheit weselich in iu. Daz wir alsö werlich inne müezen bliben, daz wir alle wärheit müezen besitzen äne mitel und äne underscheid in rehter selikeit ... .“ (Pf. 15: 67, 16 ff). „Ein rehter mensche bedarf gotes niht. Daz ich hän, des bedarf ich niht“ (Pf. 55: 178, 51). Daher ist auch der Gottesdienst für das Ich nicht erforderlich, denn es hat ja alle Lehre und Wahrheit in sich und realisiert sie unausgesetzt in dem Anschauen und Wirken der Welt in und aus Gott: „In welcher sele gotes riche erschinet unde diu gotes riche erkennet, derdarfmannihtprediennochl£ren: si wirt da von geleret und versichert des &wigen lebens“ (Pf. 69: 221,24); „Ein mensche g@ üf dem velde unde spreche sin gebet unde bekenne got, oder er si in der kirchen unde bekenne got: bekennet er got mer dar umbe, daz er in einer rastlichen stat ist, daz kumt von siner gebrestlichkeit, niht von gotes wegen, want got ist gelich in allen dingen und in allen steten und ist bereit glich sich ze gebenne so verre ez an im ist, unde der bekande got rehte, der in glich bekande“ (ib. 221, 40 f)”°).

Weder die Kirche als sakramentale Heilsanstalt noch die Gemeinschaft der Heiligen, das corpus Christi mysticum, ist ein eizentlich religiöses Erlebnis und theologisches Problem, denn Religion ist korrelatives Einzigkeitsverhältnis von Gott zu Ich, von Ich zu Gott. Dem scheint zu widersprechen, daß Eckhart sich durchaus bewußt als Glied und Vertreter der Kirche gefühlt hat, und er würde sich wahrscheinlich streng gegen den Vorwurf verwahrt haben, er lehne die Kirche ab und hebe sie auf. Er tat

10) Pf. 58: 186,16, 187,32; 81: 260, 14 ff; 84: 271,34.

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