Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Nachdem an dieser wichtigen Stelle als der eigentlich begründende Begriff das Sein und nicht Gott ausgezeichnet ist, können die vielen Wendungen, die diese These aus dem Interesse der Wesensbezeichnung Gottes umdrehen, nicht mehr mißverständlich und abschwächend wirksam werden. Nachdem in der Propositio: Esse est Deus gesagt ist, was als Gott zu gelten hat. kann nunmehr in der umgekehrten These: Deus est esse das Wesen Gottes ausgesagt werden”).

Ebenso wie der Seinsbegriff zur Grundlage der Bestimmung des Gottesbegriffs wurde, so verhält es sich auch mit den Begriffen der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Güte, der Liebe, der Tugend. Wahrheit, Gerechtigkeit, Güte etc, haben ihr Wesen als solche nicht, weil sie von Gott sind, weil alles, was Gott wirkt, an und für sich, weil es von Gott kommt, wahr, gerecht, gut wäre. Gott ist nicht der Bestimmungsgrund ihres Seins, sondern sie sind erst die Bedingungen der Möglichkeit zur Bestimmung des Gottesbegriffs selbst. Etwas ist nicht wahr, gerecht, gut ete., weil Gott sich so verhält, sondern Gott kann überhaupt erst als Gott bezeichnet werden, wenn sein Wesen und Verhalten jenen Prädikaten entspricht. Somit müßte es entsprechend der These über das Sein zur Bestimmung Gottes nunmehr heißen: die Wahrheit ist Gott, die Gerechtigkeit ist Gott etc. In der ausgesprochenen Form wie beim Seinsbegriff kommen diese Wendungen in den vorliegenden Schriften zwar nicht vor, aber ihr sachlicher Gehalt liegt vielen Texten deutlich zu Grunde und muß auch für die umgekehrte Wendung der These als Wesensbesründung vorausgesetzt werden.

1) Wahrheit”):

BgTr. 17,20: entvieli got sinem worte, siner wärheit, er

entvieli siner gotheit und weri nit got, wan sin wort ist

sin wärheit.

Z.f. d. A. 69:265,20: wer warheit etwas anders dan got,

ich wollde warheit ane bete und niht got.

Pf. 11:57,51:Waz ist diu warheit? Warheit ist als edel,

were daz sich got gekeren möhte von der warheit, ich wolte

mich an die warheit heften und wolte got läzen, wan got ist diu warheit ....

”) Zur These: Deus est Esse cf. III 344,2, 547 4f.: Pf. 49:162, 37, 165, 19. IV 240, 8, 245, 10, 264, 17: Pf. 82: 262,40, 265, 10: Pf. 91: 500, 7. Den. 585, 10, 595. 18.

Zur Wendung: Ego sum, qui sum cf.: IV 240,8, 547,17. II 451,5. Den. 559, 20; Pf. 50:108, 283—33; Pf. 91:500, 7. 5) cf. Pf. 49:165,2, 85:272,29f. Den. 583,10.

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