Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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zu beſitzen, weil er keinen einzigen Aufſaß ſelbſt ausarbeitete, ſondern dieſelben von Schloißnig oder einem ſeiner Kanzleiſchreiber verfertigen ließ. Audienz mußte ex nun freilich ſelbſt geben, weil wohl nicht gut ein Anderer ſh an ſeinen Plat hinſtellen fonnte; daß ihm aber dieſes Geſchäft nicht ſehr angenehm geweſen ſein müſſe, läßt ſh daraus abnehmen, weil er, als er den Thron beſtiegen hatte, die Audienzen ganz abſchaffte und ſie erſt dann wieder einführte, als das Mißvergnügen darüber im Publikum zu laut wurde. Die Audienzen, welche er als Erzherzog gab, dauerten von acht Uhr Morgens bis eilf Uhr. Während dieſer Zeit nahm er die Bittſchriften ab, hörte auch an, was man ihm ſagte, und entließ Jeden, der ihm etwas einreichte, mit den Worten: „Ich werde meinen Vater davon unterrichten.“ Nie ließ er ſh in das Detail irgend einer Sache ein, oder forſchte nah Belehrung und Aufſchlüſſen. Der folgende Vorfall beſtätigt es. Kaiſer Joſeph hatte eine Preisfrage aufgegeben über die beſten Mittel, dem Wucher ohne Strafgeſeze Einhalt zu thun. Ein öſterreichiſcher Schriftſteller verfaßte eine Abhandlung über Wucher und Wuchergeſeße; da aber