Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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noch nicht entſchieden, ob er ſeinen“ Schulkameraden, ſeinen Jugendfreund , ſeinen Bruder als Freimaurer auch ſeinen Abſichten aufopfern ſollte. Der ſtrengſte Richter, wenn er auch unerbittlich gegen das Verbrechen iſ , empfindet doh, iſt ſein Herz nur ein wenig menſchli<, Mitleiden für den Verbrecher , um ſo mehr noch für deſſen ſchuldloſe Angehörige. Graf Saurau kannte dieſes Gefühl niht. Als die Gattin eines der Gefangenen zu ihm kam , ihn bat, ihren Mann frei zu laſſen, und hinzufügte : » Wenn Ew. Exzellenz meinen Gatten auh noh eín Jahr ſïben laſſen, ſo wird man ihm doch nichts beweiſen können; denn ich bin überzeugt, daß er unſchuldig iſt,“ erwiederte Graf Saurau, anſtatt die Unglückliche zu tröſten, ſie zu verſichern, daß es ihn freuen würde, ihren Mann unſchuldig zu wiſſen, in beißendem Tone : » Wenn Sie von der Unſchuld Ihres Mannes gar #0 ſehr überzeugt ſind, warum kommen Sie dann zu mir?“ Auch ließ er die arme Frau, welche Kummer und ‘ſchlafloſe Nächte entkräftet hatten, beſtändig vor ſich ſtehen, da man doh in Wien einem Weibe, das nicht zu der gemeinſten Klaſſe gehört, ſtets eínen Stuhl anzubieten pflegt.