Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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der Gunſt und Liebe des Volkes unterſtüßt, die kühnen Forderungen des Adels ohne alle Gefahr verweigern. Er ſowohl als die Geiſtlichkeit hatten es niht gewagt, ſih gegen Joſephs Neuerungen ernſtlich aufzulehnen oder gar mit einer Revolution zu drohen. Das Erſtere würde Joſeph ſtrenge geahndet, auf das Leßtere würde er geantwortet haben, daß ſich fein Volk empöre, deſſen Laſten der Regent vermindert, deſſen ſittliche Veredlung er befördert; daß er den Adel nicht fürchte, ſo lange das Volk ihn liebe.

Wenn Leopold den Haß des Adels mehr fürchtete als er die Liebe des Volkes achtete, ſo berehnete er die Gewalt des erſtern gegen die Macht des leßtern nah einem falſchen Maßſtabe. So wenig der Adel in Frankreich im Stande war, ſich allein der Revolution entgegen zu ſtemmen, eben ſo wenig fonnte ex in Oeſterreich ohne Mitwirkung des Volkes eine Revolution veranlaſſen. Jener emigrirte, ohne den König retten zu können, um ſich der Rache des Volkes zu entziehen; dieſer hätte, ohne den Regenten ſtürzen zu können, ſich flüchten müſſen, um dem Schwerte der Gerechtig, keit zu entgehen.