Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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Ungehorſam gegen den Monarchen und Aufruhr erzeugt habe. Leopold fehlte es entweder an Muße oder an Fähigkeit, dieſe Säße gehörig zu prüfen und den Schein von der Wahrheit zu unterſcheiden. Er nahm Alles als flar und erwieſen an, und war ernſtlich darauf bedacht, eine Quelle zu verſtopfen, aus der ſo viele Uebel für die Regenten entſpringen.

Das Hauptaugenmerk wurde darauf gerichtet, dem geiſtlichen Stande ſein früheres Anſehen und die Gewalt wieder zu verſchaffen, welche er über die Vernunft der Gläubigen ausgeübt hat. Um dieſe Abſicht leichter zu erreichen, verſchärfte man das Zenſuredift Joſeph's, unterſagte alle Kritiken, welche die Verordnungen der Regierung oder das Betragen der Geiſtlichkeit betrafen, und beſchränkte nicht bloß die Schreibe-, ſondern auch die Leſefreiheit. Um den Unglauben zu verbannen, begünſtigte man den Aberglauben. Man geſtattete dem Volke, ſeine Zeit, welche es nüßlicher und gottgefälliger zur Arbeit verwenden konnte, in frommem Müßiggang mit Wallfahrten und Prozeſſionen zu verſchleudern. Lange vergeſſene Gnadenbilder wurden aus den Winkeln, in die Joſeph