Der Jakobiner in Wien : oesterreichische Memoiren aus dem letzten Dezennium des achtzehnten Jahrhunderts

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Die Herde konnte die neue Lehre ihres geiſtlichen Hirten niht re<ht mit ſeinen vormaligen Worten vereinigen; ſie fing an, Mißtrauen in ſeine Glaubwürdigkeit zu ſeßen, oder ſchalt ihn wohl gar einen Betrüger. Unter Anderm, was als Beweis dienen fonnte, wie das gemeine Volk über dieſe plöglich eingetretenen Veränderungen gloſſirte, erzählte man, was dem Hofprediger Poſchinger , aus dem Dominikanerorden, begegnete, welcher einen geraden, ehrlichen Steiermärker als Bedienten bei ſich hatte. Dieſer kam an einem Sonuntage aus der Kirche nach Hauſe und ſagte: „Nein, Ihr Hochwürden, das iſt doch ganz ſonderbar ! Der Herr Sonntagsprediger unten“ (in der Dominifanerkirche) „ſagte unter dem Kaiſer Joſeph in jeder Predigt, die Prozeſſionen , Abläſſe, Gnadenbilder u. dgl. könnten weder nüßen, noh ſcaden; heute aber predigte er gerade das Gegentheil , und ſagte, die Prozeſſionen, Abläſſe, Gnadenbilder wären ſo heilſam und wichtig, daß kein katholiſcher Chriſt ohne dieſelben leiht ſelig werden fönnte. Ich möchte doh wiſſen, welches von beiden wahr iſ. Eines muß richtig erlogen ſein. Dder iſt vielleicht Alles, was uns die Geiſtlichen