Die Klassengegensätze von 1789 : zum hundertjährigen Gedenktag der grossen Revolution

zubeuten. Für das „unwiſſende“ Volk war in ſeinen Augen die Religion höchſt nothwendig, es konnte ohne ie niht beſtehen; aber der „aufgeklärte“ Adel mochte ihrer ſpotten.

Hand in Hand mit der Entwicklung der Freidenkerei üt den adeligen Salons ging der Verfall der alten Sitten, denen ja auh die materielle Grundlage entzogen war. Für den altfeudalen Grundherrn war ſein Haushalt und die Beſchaffenheit der Herrin desſelben von der größten Bedeutung; ohne geregelte, ſtetige Haushaltung gerieth der ganze Mechanismus der Produktion in's Sto>ken. Eine feſte Ehe, - eine ſtramme Familienzucht waren da eine Nothwendigkeit. Für den Höfling, der nichts mehr zu thun hatte als ſi< zu amuſiren und Geld hinauszuwerfen, wurden Ehe und Familie höchſt überflüſſig; ſie wurden läſtige Formen, denen man ſi<h zwar äußerlih unterwarf, da man doch legitime Erben erzielen mußte, an denen man jedo< nicht ſtrenge feſthielt. Wie die Könige dem Adel in Bezug auf „freie Liebe“ vorangingen, iſt zu bekannt, als daß wir hier des Näheren darauf eingehen müßten.

Der Landadel war natürlich über dieſe „Vorurtheilsloſigkeit“ des. Stadtadels ebenſo empòört, wie über ſeine Ausbeutung der Staatsfinanzen , - indeß dieſer jenem wieder ſeine Rohheit und Unwiſſenheit ſowie ſeine Unbotmäßigkeit vorwarf. Beide Theile ſtanden ſi<h auf's feindlihſte gegenüber.

Es gab aber neben dieſen beiden Adelsparteien no< Adelige, die zum Feinde übergingen und das Feudalſyſtem ‘don Grund aus bekämpften. Namentlich in den Reihen des niederen, finanziell ruinirten Adels fanden ſi<h viele, denen die kir<hlihe Laufbahn nicht zuſagte, die dem Kriegsdienſt niht gewachſen waren, die bei Hofe niht vorwärts kamen oder geradezu in Ungnade fielen, endli<h Männer, die die Fäulniß des Hofadels ebenſo aneckelte wie die Rohheit und Bornirtheit der Krautjunker, die den Zuſammenſturz des herrſchenden Syſtems für unvermeidlich erkauuten, die das Elend der Maſſen mit tiefem Mitleid erfüllte. Sie ſtellten ſih auf die Seite des dritten Standes, ſie geſellten \i< zu ſeiner Intelligenz, zu ſeinen Literaten, Pamphletiſten, Journaliſten, die in demſelben Maße an Macht zunahnen, in dem der dritte Stand an Bedeutung ſtieg. Es waren die intelligenz teſten, energiſchſten, unerſhro>enſten und karakterfeſteſten Mitglieder der Ariſtokratie, die ſih ſo auf Seite des dritten Standes ſchlugen; zuerſt kamen ſie vereinzelt; . als ſein Sieg entſchieden