Die Physiognomie des Menschen

13, Schönheit und Häßlichkeit des Gesichtes.

Es ist die Frage, ob ein schönes Gesicht auch eine schöne Seele und umgekehrt ein häßliches eine häßliche besitzt, oder was sonst Gutes oder Schlechtes daran ist. Wenn wir das auch schon bei den Merkmalen der einzelnen Teile besprochen haben, wollen wir doch noch zusammenfassen, was insgesamt die Schönheit ausmacht. Es ist eine alte Wahrheit der Physiognomik, daß eine harmonische Anlage aller Glieder einen har‚monischen Charakter gewährleiste, und allgemein sagt man, Mißwuchs des Leibes bedeute Mißwuchs der Seele. Was ist denn die Schönheit? Es gibt vielerlei Erklärungen; man kann ihnen folgendes entnehmen: Schönheit entsteht, wenn alle Körperteile einander aufs Beste angepaßt sind. Die Körpergestalt ist ein Bild der Seele. Schönheit ist ein Geschenk Gottes, die schönsten Menschen stehen am höchsten in seiner Gunst. Apulejus schätzte die Schönheit so hoch ein, daß er zum Weissagen nur schöne, tadellos gewachsene Knaben aussuchen ließ, damit des Gottes Herrlichkeit in ihnen wie in schönen Häusern wohnen möchte.

Das schöne Gesicht:

In der Geschichte finden sich viele Frauen und Männer außerordentlicher Wohlgestalt, die neben ihren mancherlei Tugenden die größten Laster gehabt haben, so daß die Natur hier trotz höchster Schönheit Maß und Verhältnis zerstört und die Seelen verdorben zu haben scheint, worauf das Gleichnis des Sokrates von dem Schwert aus Blei in einer goldenen Scheide zielt. Die große Schönheit des Alcibiades ist sehr oft gerühmt worden und allgemein bekannt. Plutarch sagt, er sei von der Jugend bis ins hohe Alter der schönste Athener gewesen; er war sehr ruhmsüchtig und hielt die Herrschaft über die Sterblichen für das Erstrebenswerteste; an Beredsamkeit, Philosophie und Kriegskunst übertraf der

” 131