Die Physiognomie des Menschen

feuchte und warme Natur haben, wie sie zum Beischlaf nötig ist: Die Hitze fördert die Absonderung der Feuchtigkeit. Polemon und Adamantius halten nicht die behaarten Unterschenkel, sondern behaarte Lenden und Oberschenkel für ein Zeichen der Geilheit und nennen Leute mit dicht und lang behaarten Unterschenkeln roh und bäurisch, aber nicht geil. Ebenso hält Albertus nach Loxus struppige Leute für ungelehrig und wild.

Das Hinken:

Aristoteles nennt hinkende Leute unkeusch, weil wegen des Fehlers der Beine nur wenig Nahrung nach unten kommt, viel dagegen nach oben und in Samen umgesetzt wird. Die Amazonenkönigin Antiavira sagte, wie Theokrytes erzählt, die Lahmen seien besonders gut zur Liebesbefriedigung geeignet: Am besten ginge ein Hinkemann drauflos. Daher rührt vermutlich die Redensart von den geilen Hinkern, die den ganzen Tag zu Hause sitzen und nichts tun als Unzucht treiben. Sokrates hatte krumme Unterschenkel, was ohne Zweifel auf Lasterhaftigkeit deutet, weil der Fehler einem großen, wichtigen Körperteil anhaftet. Bei den Aerzten gilt als Lehrsatz: Keine Körpermischung ist so gut, daß sie nicht schlecht würde, wenn sie mit einem fehlerhaften Teil zusammenkäme. Andere meinen, solchen Leuten sei von der Natur das Glück vorenthalten, und man müsse sich sehr vor ihnen in acht nehmen, weil sie geheimen Schaden brächten; man könne sich leichter gegen einen Feind sichern als gegen solch glücklosen Freund. Daher empfiehlt Aristoteles dem Mazedonierkönig Alexander, sich vor den von der Natur gezeichneten und irgendwie verstümmelten Menschen wie vor Feinden zu hüten. Daß manche Lahme indessen nicht unkeusch sind, sondern sich mit Eifer und Sorgfalt der Tugend befleißigen, sehen wir aus der Geschichte. Als man den Lakonier Andro-

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