Die Physiognomie des Menschen

den Mund und die anderen Öffnungen erweitere. Galen hält beider Ansichten für falsch, einmal weil sie auf Grund eines einzigen Organes über den ganzen Körper geurteilt haben, und ferner, weil sie die bildende Kraft der Natur, die kunstvoll die einzelnen Teile gemäß dem Charakter zusammensetzt, überhaupt nicht berücksichtigt haben. Domitian hatte nach Sueton sehr große Augen, die stumpfsinnig dreinblickten, woraus man auf geringen Verstand schließen kann.

Große, dunkle Augen:

Leute mit großen, dunkelblauen Augen sind mißgünstig, unverschämt, träge und unfolgsam, schreibt Aristoteles an Alexander.

Große, mohlgeformte Augen:

Große, rundliche hält Aristoteles für sehr gut und löblich. Nach Galen haben große Augen ebenso wie ein großer Kopf teils gute, teils schlechte Bedeutung: sind sie bei ihrer Größe wohlgeformt und ausdrucksvoll, so kann man auf reichliches Vorhandensein und gute Zusammensetzung des zugrundeliegenden Stoffes schließen. Der Hirsch hat große, schöne Augen und ist ein kluges Tier. Sokrates hatte nach Polemon große, erhabene, leuchtende Augen, die, wie Plato im Theaetet erzählt, etwas vorstanden; er war gerecht, klug, eifrig und liebevoll; Apollo nannte ihn den weisesten Menschen. Der große Kriegsmann Neoptolemus hatte nach Dares runde Augen. Der Kaiser Tiberius hatte sehr große Augen, die wunderbarerweise auch im Finstern für kurze Zeit klar und deutlich sehen konnten: er hatte einen großen, starken Körper und war sehr scharfsinnig, gelehrt und kriegskundig. Auch ich habe solche Augen, wie sie nach Plinius niemand außer Tiberius gehabt haben soll. Wenn ich nachts aufwache, sehe ich alles hell und klar, und

erst nach einiger Zeit verdunkelt sich das Gesichtsfeld. 237