Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

78 zewalt Europas ist so wenig naturverbunden als frei. Sie hat vielmehr alle Naturmächte ausgenutzt, verschachert, verwerkelt, versklavt und verhurt. Wer aber keine Sicherheit der Triebe hat, der hat auch keine Tugend. Was also kan er anderes und besseres tun als — — — sSittlich werden? .....

Gewiß! Das Liebesleben der Menschen ist schon Vielerlei auf Erden gewesen: Gottesdienst, Wissenschaft, Ausschweifung, Geheimkult, Fest, Garten der Zucht. Aber es zur sachlichen Genußordnung herabzuwürdigen, an Seite von Alkohol und Zigarre, dieses Kulturstück ist doch erst der Menschheit Amerikas und Asiens gelungen. Die Liebe (darin jedermanns Grenze verlischt und das Ich stirbt, der dunkle Despot), die ‚Liebe‘ ward somit grade die Pforte zur eigenbezüglichsten Ichsucht. Die man in Indien Gottgegebene nennt (devadasi) wurden im Abendland Dirnen. Vielleicht hat sogar jener Weltkenner Recht, der das grauenhafte Wort sprach:

‚Für sein körperliches Bedürfnis hält der Mann von Reinlichkeit und Geschmack sich besser an die Damen der bürgerlichen Gesellschaft: aber was sollte aus unsrer Seele und ihrem Heiligstem werden, wenn nicht zum Glück die Dirnen wären?‘ —

Der Hindu, dem die Hingabe der Geschlechter ein religiöses Erlebnis ist, der Buddhist, der sie aufzuheben trachtet im Geiste, der Japaner, der aus Liebesspielen die anmutigste Kunst machte, der Mohamedaner, der die Mehrehe kennt, niemals aber Verkauf von Liebe für Geld. ... sie alle sind doch irgendwie noch einverschlungen in die Gattungsseele des Geschlechtes; einzig die neue Welt, Liebesleben aufs engste mit Geschäft, Genuß und Geld verbindend, machte aus dem Metaphysischem einen rein physischen Kitzel bewußter Willkür. Daher ahnt dieser zwecksinnige Mensch nicht mehr die geheime Wesensgleichheit von Liebe und Tod, amore und morte, wie sie zum Ausdruck kommt im tiefen Mytos der Babylonier, in welchem Istar — (die Asthoreth der Kanaanäer; die Esther der Juden, die schaumgeborene Aphrodite (@ypo= Schaum) der Griechen) — zugleich gilt als die Göttin des Todes und als die Göttin der Zeugung, zugleich als die Göttin der Wollust und die des Krieges. Als sie hinab ins Totenreich steigt, da erlischt auf der Erde alle Geburt und Zeugung; nur sie allein kann niemals sterben, denn sie ist das Lebendige selber.....

Wissen wir noch von den allumschlungenen Feiern versunkener Sonnenwelten? Rührt man daran in der kalten Nacht des Käfigs, dann vergröbert Eros zu wahlloser Geschlechtsgier. Schön ist des Menschen natursichere Seele im