Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

66 TI. Dex Kampf gegen Napoleon.

focht nun — recht unzuverläſſig allerdings — vereint mit den Öſterreichern, die in Bellegarde einen neuen Kommandanten hatten und mit den Engländern gegen die Herrſchaft Napoleons auf der Apenninenhalbinſel, als deren Anwalt der treugebliebene Vizekönig Eugen auftrat. Bereits früher war es der öſterreichiſchen Südarmee möglich geweſen, ſih freier zu bewegen, weil Metternich durch den Vertrag von Ried die Bayern aus Feinden zu Freunden machte. Jm April 1814 nahm ein öſterreichiſcher General von Mailand, von der Hauptſtadt des Königreiches Jtalien Beſitz; die Lombardei und Venedig ſtanden bald wieder unter dem Zepter des Kaiſers Franz 1). Am 4. Mai ſahen Metternich und Schwarzenberg in der Straße Montmartre, wie König Ludwig XVIII. als neuer Herrſcher in Paris ankam. Der Empfang, den die Stadt dem Bourbonen bereitete, löſte in dem öſterreichiſchen Staatsmanne einen peinlichen Eindru> aus und ließ ni<hts Gutes ahnen. Jn der Hauptſtadt Frankreichs wurde nun Friede geſchloſſen. Ludwig XVIII. gab ſich mit den Grenzen des Königreichs vom 1. Januar 1792 zufrieden. Außerdem brachte man verſchiedene Angelegenheiten Europas ins reine, aber es blieben noh Streitfragen genug übrig. Darum beſagte der erſt e Pariſer Friede vom 30. Mai 1814, daß in zwei Monaten in Wien ein Kongreß ſtattzufinden habe, der die lü>enhaften Beſtimmungen vervollſtändigen ſolle. Der Fürſten und ihrer Rechtsanſprüche hatte man ſich an der Seine zartfühlend erinnert, der Völker und ihrer Wünſche gedachte man nicht mehr. Als volkstümlicher Befreiungsfrieg war das gewaltige Unternehmen gegen Napoleon begonnen worden, das höfiſche Diplomaten kaltherzig beendeten. Einen lieblicheren Rahmen als die alte Kaiſerſtadt an der Donau konnten ſich die Herren Europas für die Stätte ihrer Beratungen nicht ausſuchen. Auch waren anderwärts nicht ſo leicht gleichviele ſchauluſtige, ſtets vergnügungsbereite Bewunderer der hohen Herrſchaften und ihrer Feſte zu finden wie in Wien. Der ſtrenge Thugut hatte in Tagen der Not ſehr abfällig über die Charakterfeſtigkeit der Wiener geurteilt, aber jezt zogen aus aller Welt Fürſten und Fürſtendiener herbei, die in den Tagen heiterſter Freude von den Bewohnern der Stadt entzückt waren. Der Kongreß — der nah einem geiſtreichen Worte mehr tanzte als marſchierte — der von herrlichen Feſten, wundervollen Bällen, abwechſlungsreichen Schauſtellungen

1) Adolf v. Wiedemann - Warnheim. Die Wiederherſtellung der öſterreichiſchen Vorherrſchaft in Ftalien. Wien 1912.