Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

B. Napoleons Niederlage. cl

wurde durch die Zuziehung einiger Staaten erweitert. Metternich eröffnete die erſte Sizung und legte im Einverſtändniſſe mit Preußen einen neuen Entwurf für die zukünftige Organiſation vor. Dieſes Elaborat hatte im weſentlichen der öſterreichiſche Diplomat Freiherr von Weſſenberg verfaßt. Nicht weniger als 46 Verfaſſungsentwürfe dienten ihm zur Grundlage, ſo daß er mit Recht von einer „Herfulesarbeit““ reden durſte. Dem Empfinden des deutſchen Volkes entſprach das Werk wohl nicht, wie ja überhaupt die nationale Begeiſterung in der deutſchen Konferenz keine Heimſtätte fand. Jm Gegenteil! Die Triebfeder der Regierungen — das öſterreichiſche und das preußiſche Kabinett mitinbegriffen — war nah dem vorſichtigen Urteile, das Ritter von Arneth) fällt, ein ziemlich kraſſer Egoismus; die Jutereſſen des eigenen Staates überwogen bei jeder Macht ſo ſehr, daß für Geſamtdeutſchland bloß wenig Liebe, oft ſogar nur die öde Gleichgültigkeit übrig blieb. Da gab es für die ſ<wungvollen Jdeen cines Freiherrn vom Stein feinen Plat; das Kaiſertum, das dem Reichsritter glanzvoll vor Augen ſchwebte, lebte nicht auf, ebenſowenig wie ein kraftvolles Deutſches Reich. Nur ein ſ<hwähli<her Deutſcher Bund erſtand, einem unſchönen Gefäße ohne richtigen Jnhalt vergleichbar. Das war dem Fürſten Metternich ganz ret, denn ihm hätte ſogar ein „Syſtem von loſen Allianzen“ genügt. Anfang Juni hatten ſich die meiſten deutſ<hen Bevollmächtigten zu dem Verfaſſungsentwurfe bekannt, deſſen zwanzig Artikel als „Bundesakte““ einen Beſtandteil der langatmigen Wiener Kongreßakte bilden.

Die Verſammlung von Diplomaten erklärte am 11. Juni 1815, daß ihre Arbeiten beendet ſeien. Der Kongreß, der Europas alte Landkarte ausgegraben und an einzelnen Stellen umgezeichnet hatte, der berufen war, den Frieden und die Ruhe des dur< Napoleon aufgewühlten Weltteils zu begründen, beſ<loß ſein Daſein.

Jn der Hauptſtadt Frankreichs kam am 20. November 1815 der zweitePariſer Friede zuſtande. Er war für Frankreich drückender als das frühere Übereinkommen, weil er eine Geldentſhädigung von 700 Millionen vorſah und das Recht der Offupation durch die Alliierten für fünf Jahre ſicherte. Der „Zuſtand der Unruhe und Gärung, den Frankreich nach ſo vielen gewaltſamen Erſchütterungen, insbeſondere nach der legten Kataſtrophe“ aufwies, ließ dieſe

1) Jm erſten Bande der Biographie des Freiherrn von Weſſenberg, in

i O die Angriffe des Herrn von Treitſchke gegen Oſterreich zurüd>weiſt. s