Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

72 TIT. Metternich gegen Deutſchlands Freiheit.

Maßregel ſür die beſorgten Diplomaten wünſchen3wert erſcheinen. Öſterreich hatte die franzöſiſche Revolution und die Napoleoniſche Herrſchaſt mit unermeßlichen Opfern an Blut und Gut bezahlt; die Kriegsfoſten allein wurden mit einer Milliarde Gulden beziffert. Jett war man glücklich, den alten Länderbeſiß im allgemeinen wieder hergeſtellt zu haben; Belgien und die Vorlande fehlten allerdings. Hingegen waren Venedig und das Küſtenland zugewachſen und Polen hatte bluten müſſen. Auch die Einbeziehung des ſalzburgiſchen Gebietes war ein Gewinn.

Als Endpunkt dieſer langen Kette faſt einzig daſtehender Ereigniſſe fällt ein Vertrag ins Auge, der dem Geiſte des Zaren Alexander entſprang und in Paris vereinbart wurde. Er hat mehr Aufſehen erregt, als er verdiente und mehr Anfeindung erfahren, als berechtigt geweſen wäre. Durch den Myſtizi3mus einer nah einem bewegten Leben fromm gewordenen Frau — ſie hieß Juliane von Krüdener — ſtark beeinflußt, veranlaßte der Zar die Stiftung eines chriſtlichen Bundes, einer heiligen Allianz. Am 26. September 1815 unterfertigten Kaiſer Franz, König Friedrich Wilhelm IT. und Zar Alexander eine Urkunde, in der die drei Monarchen „angeſichts der ganzen Welt ihren unerſchütterlichen Entſchluß“ bezeugten, die Lehren der heiligen Religion, Lehren der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens „zur alleinigen Regel ihrer Handlungen: machen zu wollen, ſowohl in der Verwaltung ihrer Staaten als in ihren Beziehungen zu allen andern Regierungen.“ Chriſtlichkeit, Chriſtlichkeit im edelſten Sinne des Wortes, predigte und verbürgte dieſer Vertrag, der jedoh niht mehr als ein Stück beſchriebenes Pergament war; in die Wirklichkeit ging von ihm nichts über. Dennoh hat man all das, was in den nächſten Jahrzehnten an harter Unduldſamkeit, an Bedrückung und Verfolgung geſchehen iſt, auf das Konto dieſer heiligen Allianz geſezt. Das war eine Fehlbuchung, die man heute richtigſtellen müßte, ſelbſt wenn Metternich in ſeinen nachgelaſſenen Papieren nicht nahdrü>lich auf ſie hingewieſen hätte.

TIT. Wetternich gegen Deutſchlands Freiheit.

In den Fahren der aufreibenden Kämpfe und großen Opfer war ein neues Jdealbilddes deutſ<henVaterlandes entſtanden. Nicht klar und ſcharf umriſſen in den einzelnen Zügen freilich, ſondern mehr verſhwommen. Auch gewann das Zukunftsreich in jedem Kopfe andere Formen, ſoweit es ſich um Einzelheiten handelte. Jm