Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

956 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

füllten eine Zeit [ang vie Gemüther, die aber zuletzt ſämmtli<h als unausführbar verworfen werden mußten. Eine Lieblingsvorſtellung der patriotiſchen Partei war die Wiederherſtellung der Kaiſerwürde, als ob dieſe an und für ſi< ein Talisman wäre, der das Geheimniß der natio= nalen Wiedergeburt enthielt und als ob unter dieſer Kaiſerwürde Deutſch= land nict immer tiefer an Einheit, Macht und Sicherheit herabgekomnien wäre. Man theilte ſi< alsbald über dieſe Frage, oder vielmehr eine folche Theilung lag in der Natur der Sache ſelbſt. Die Einen dachten dabei an Oeſterreich, die Anderen an Preußen, ohne zu erwägen, daß die eine dieſer Kombinationen eben ſo unmöglich wie die andere geworden, daß Oeſterreich ſi<h ni<t von Preußen aus Deutſchland hinausdrängen oder ſich ihm unterordnen, und daß Preußen nie eine beſtimmte Suprematie Oeſterreichs anerkennen würde. Die Unmöglichkeit, dieſe Hinder= niſſe zu überwinden , führte auf die Anſicht, dieſen Dualisuus in bez ſtimmte Gränzen einzuſchließen, und dadur< unſchädlich zu machen, den Norden Deutſchlands der Leitung Preußens, den Süden der Oeſterreichs zu übergeben, und zwei Deutſchlande zu konſtituiren, die niht nux na Außen hin ohnmächtig geweſen, ſondern unfehlbar ſehr bald gegen einander zn Felde gezogen ſein würden. Man ſ<{Gmeichelte ſich, daß aus dieſer Zweiheit ſpäter eine Einheit , zu der es für den Angenbli keine Ausſicht gab, hervorgehen würde. Es kam dann die Idee von einer deutſchen Pentrchie auf, die für Deutſchland dieſelbe Bedeutung, wie vie fünf Großmächte für Europa , haben ſollte, aus Oeſterreich, Preußen, Bayern, Würtemberg und Hannover beſtehend, und als Zuſas zu diefen Plan die Bildung eines beſonderen Ausſ\chnittes in Deutſchland, aus den Großherzogthümern, Herzogthümern, Fürſtenthümern und freien Städten zuſammengeſeßt, der im Nothfalle gegen jene Pentarchie eine Oppoſition bilden und ein Gleichgewicht zwiſchen den verſchiedenen Intereſſen erhal= ten ſollte. Ein preußifher Entwurf, mit einer Eintheilung Deutſchlands in ſieben Kreiſen und einer der Erhaltung der Einheit des Ganzeu und der Freiheit der Einzelnen angemeſſenen Organiſation, einem Bundes= gericht, einer ſtarken Wehrverfaſſung, dem Anſchluſſe der Niederlande nud der Schweiz, war unter allen dieſen ephemeren Plänen der volksthümlichſte und durchdachteſte, und der, wenn überhaupt in jener Zeit eine Negeneration Deutſchlands möglich geweſen wäre, die meiſte Berückſich= tigung verdient hätte. Ueberhaupt hielt Preußen am längſten an dem Gedanken einer, ſo weit es die Umſtände erlaubten, möglichen deutſchen inheit feſt. Noch im April (1815) war daſſelbe, nahdem es ſchon Vieles von ſeinen früheren Abſichten hatte aufgeben müſſen, für die