Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Frankrei< und die Bourbonen. 265

würden dieſe Klaſſen, ſelbſt wenn ſie einig unter ſi< geweſen, und ihre ganze Kraft angewandt hätten, niht im Stande geweſen ſein, die Ergebniſſe der Revolution nur weſentlih zu verändern, geſchweige denn aufzu= heben. Aber die Meinung, daß ſie es wünſchten und wollten, und von einer Partei am Hofe, an deren Spite der Graf von Artois ſtand, bei ihren Anſprüchen im Geheimen ermuntert und unterſtützt wurden, ſchadete der Reſtauration in einem Theile der Bevölkerung. Beſonders fand dies in der zahlreichen Klaſſe der Käufer dex ehemaligen National= güter ſtatt.

Am gefährlichſten für die Bourbonen war jedoch die Stimmung des ihnen von Napoleon zurü>gelaſſenen Heeres. Ein Theil der oberſten Befehlshaber, von denen mance den Lohn für die überſtandenen Gefahren fortan in Nuhe genießen wollten, war für das neue Syſtem gewonuen worden. Aber ſelbſt viele Generale und faſt alle Officiere und Soldaten blieben von den Erinnerungen des Kaiſerreiches erfüllt. Die franzöſiſche Armee war, ungeachtet der erfahrenen Niederlagen, bei dem Bewußtſein des Muthes, mit dem ſie bis zum lezten Augenbli>e ge= kämpft, nichts weniger als gebeugt, ſondern wurde im Gegentheil von einem hohen Selbſtgefühl getragen. Sie glaubte, nict einer überlegenen Tapferkeit und Kriegskunſt, ſondern, wie es in der That auch der Fall war, der numeriſchen Uebermacht erlegen zu ſein, und brannte vor Begierde, die empfangenen Scharten wieder auszuweßen. Napoleon hatte zu oft und zu lange geſiegt, als daß ſeine lezten Unfälle den Glanz ſeiner Thaten vermindert hätten. Es war dies ſelbſt das Gefühl ſeiner Geg-=ner, um ſo mehr das ſeiner Anhänger. Das Kriegsvolk dachte nur an ihn, ſprach nur von ihm, er war für daſſelbe nah wie vor die verkörperte Idee militairiſhen Ruhmes und nationaler Größe geblieben. Sein Sturz war ſo plözli<, und dem Anſcheine nah ſo unvorbereitet einge= treten, daß deſſen Dauer nicht möglich erſchien. Der Anbli> der aufge= drungenen weißen Fahnen und Kokarden, und die ruhmloſe Perſönlichkeit ver ſo lange verbannt geweſenen Dynaſtie, die nur dur die Siege der Fremden zurücgekommen, regte in den Soldaten eine von Geringſhäßung und Haß gemiſhte Empfindung auf. Daß Ludwig XVII. eine Verfaſſung gegeben, die alle Bedingungen der Freiheit und des Fortſchrittes enthielt , war ihnen gleichgültig oder unverſtändlich ; die Vor= ſtellung von äußerem Frieden und innerer Ruhe, die ſich an den greiſen König und ſeinen faſt eben ſo bejahrten Bruder knüpfte, rief ihre Verachtung hervor, Die Armee, die unter Napoleon an die Stelle der