Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

970 Neueſte Geſchichte, 2. Zeitraum.

wiedererkennt!‘ Man warf die weiß und amaranthne Kokarde der Inſel Elba in das Meer und pflanzte die dreifarbige auf.

Am 1. März in der Morgendämmerung landete Napoleon's Schaar im Golf St. Juan, in der Nähe des kleinen befeſtigten Antibes, und {lug ihr erſtes Feldlager in der Nähe eines Olivenwaldes auf, = ſelt= ſamer Gegenſaß zu einem Unternehmen, das einen ſo blutigen Ausgang nehmen ſollte. Eine Aufforderung an den Kommandanten von Antibes, fih mit Napoleon zu vereinigen, ward nicht nur abgewieſen, ſondern die zu dieſem Zwe> abgeſchite Abtheilung Soldaten, die unvorſihtiger Weiſe ſih in die Stadt begeben, gefangen genommen und entwaffnet. Die Landleute, welche das Geräuſch der Landung herbeigezogen , ſchienen mehr überraſcht als begeiſtert zu ſein.

Napoleon vermied es, die Provence zu durchziehen, wo die Bevölkerung elf Monate vorher, als er ſich na< Elba begab, von den Royaliſten und dem Klerus erregt , feindliche Geſinnungen gegen ihn gezeigt hatte, und wo der alte Marſchall Maſſena kommandirte, der nicht in das Geheimniß der Rükehr Napoleon's gezogen worden war. Er beſchloß, ſich nac den Gebirgen zu wenden, die ſi auf dem linken Ufer der Rhone erheben. Dieſe Gegend war von Truppen entblößt, und die Bevölkerung der fkaiſerlihen Regierung immer zugethan geweſen. Grenoble, die Hauptſtadt der alten Dauphiné, em feſter Plat mit einer Beſatzung, war das nächſte große Ziel auf dieſem Wege. Das Landvolk bewies zwar Theilnahme und Freude bei dem Anbli> der dreifarbigen Kokarde, ſ{loß ſi aber niht an. Napoleon rü>te ungehindert vor, aber gleihwohl griff Niemand für ihn zu den Waffen. Er hatte einen Sturm von entgegenkommender Begeiſterung erwartet, und ſah ſich faſt eine ganze Woche lang in ſeinen Erwartungen getäuſcht.

In der Nähe des Dorfes La Mure ſtieß Napoleon, bei einer Brücke, welche das Thal beherrſcht, auf die erſten kéniglichen Truppen, welche von Grenoble abgeſchi>t waren, um ihm den Uebergang zu verſperren. Es war dies ein Bataillon des 5. Linienregiments. Die Aufforderung des Generals Cambronne, dem Napoleon auf dem ganzen Zuge den Befehl über die Vorhut anvertraut hatte, ſi< mit dem Kaiſer zu vereinigen, blieb vergebli<h. Das Bataillon ſtand in Schlachtordnung und zum Angriff bereit. Eine Wieſe trennte die kaiſerlichen von den königlichen Schaaren. Napoleon fühlte, daß der Augenbli> gekommen war, wo er dieſen Widerſtand mit Einſebung ſeines Lebens beſeitigen oder ſein Unternehmen aufgeben mußte. Er ſtieg vom Pferde, ließ fein Gefolge zu= rüdbleiben, und ſchritt allein und langſam, mit geſenktem Haupt und über