Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

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dem Heere wihtige Verbindungen unterhalten haben, und des Beiſtan=z des oder der Gleichgültigkeit des Volkes gewiß ſein mußte. Er meinte ſehr richtig, daß das beſte Mittel, um eine Gefahr zu beſeitigen, die Ueber= zeugung von deren wirklichem Vorhandenſein iſt.

In einem Miniſterrath ward beſchloſſen, das Heer in und um Lyon unter den nominellen Oberbefehl des Grafen von Artois zu ſtellen, und ihm den Marſchall Macdonald beizugeben. Ein zweites Korps in der Franche-Comté ſollte unter dem Herzoge von Berry und dem Marſchall Ney ſtehen. Maſſena im Süden und der Herzog von Angouleme im Südweſten ſollten ſo manövriren, um Napoleon im Nücken und von der Seite zu faſſen. In und um Paris war eine ſtarke Truppenmacht ver= ſammelt, und man glaubte außerdem auf die royaliſtiſchen Elemente der Nationalgarde der Hauptſtadt zählen zu können. Auf dieſe Art wäre Napoleon umzingelt und erdrü>t worden. Dieſer Plan wäre richtig be= renet geweſen, wenn die Truppen treu blieben und die Bevölkerung die Regierung unterſtützte. Da Beides fehlte, ſo wurden alle Vorkehrungen vereitelt.

Die Prinzen des königlihen Hauſes ſollten bei dem zu erwartenden Kampfe eine hervorragende Nolle ſpielen , die Soldaten in ihrer Pflicht erhalten, und die Bürger für ſi< gewinnen, während der König ſelbſt im Mittelpunkte des Reiches, Alles überſchauend, zurücblieb. Aber dieſe Prinzen waren vom Volke nicht gefannt und von den Truppen nicht ge= liebt. Ohne den Nuf der politiſhen Weisheit, den Ludwig XVII. im In=- und Auslande beſaß, und durch die Verleihung der konſtitutionellen Charte bewährt hatte, würde ſeine Dynaſtie 1815 für immer verloren geweſen, und weder von der Nation noch den verbündeten Souverainen mehr anerfannt worden ſein. Sein Bruder und Thronfolger flößte nicht das mindeſte Vertrauen ein.

Dem fähigſten unter den Bourbonen , dem Herzoge von Orleans, ſchadeten die Erinnerungen ſeiner Jugend und feine ſchon damals unterhaltenen Verbindungen mit Bonapartiſten und Republikanern, deu a= türlichen Gegnern ſeiner Famiſie. Man vertraute ihm deshalb fein ſelbſtſtändiges Kommando an, ſondern ſchi>te ihn mit dem Grafen bou Artois na< Lyon. Der Herzog von Bourbon ging nach der Bretagne ab, um beſonders die größeren Städte dieſer Provinz in der Treue zu dem Könige zu erhalten, denu unter dem Landvolke fand dies von ſelbſt ſtatt. Die Veudée ſollte unter die Waffen gerufen werden. Aber einmal lei= ſteten die bourbon'ſchen Prinzen nichts, was ihres Namens und ihrer Sache würdig geweſen wäre, den einzigen Herzog von Angouleme