Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

278 / Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

li vom Tode ereilt worden , ſo wäre ſeine Erſcheinung eine der räthſel= hafteſten in der Geſchihte, und ſeine letzte Unternehmung das erſtauz nenswertheſte Ereigniß ſeines an überraſchenden Wirkungen ſo reichen Lebens geweſen.

Aber ſo gut ſollte es Napoleon nict werden, und das Schi>ſal ſtreng, aber gere<t mit ihm erfahren. Kaum war er wieder in den Tuileries inſtalliri, kaum der erſte Zubel ſeiner Anhänger verklungen, als niht nur die gewöhnlichen Sorgen und Schwierigkeiten dex Regierung für ihn begannen, ſondern die Folgen feiner That, vie Illuſionen, die er ſelbſi gehegt und in Anderen genährt, das Widerſprechende, Unhaltbare, in mancher Beziehung Unmögliche ſeiner Lage hervortraten, Die drei Wochen von ſeiner Landung bis zu ſeinen Einzuge in Paris find, ſo zu ſagen, der poetiſche Prolog zu dem Drama der hundext Tage geweſen. Die Profa, und zwar eine mit Staub und Blut ge= miſchte, nahm den Verlauf deſſelben ein, und erregte lange in der bffent= lihen Meinung großen Haß gegen den Urheber ſo vielen Unheils, bis zuleßt das ſ<hwere, obwohl verdiente Unglü> des außerordentlichen Mannes eine Verſöhnung und Erhebung über die Leidenſchaften des Taz ges herbeiflihrte.

Napoleon konnte keine ſeiner der Nation gemachten Verſprechungen erfüllen. Die Parteien, die er beruhigen und um das Banner Frankreis verſammeln wollte, wurden durch ihn no< mehr als vorher erregt, und unvereinbar von einander getrennt. Er hatte dur< ſein Erſcheinen den Ruhm Frankreichs wiederherſtellen wollen, und rief im Gegentheil eine zweite Eroberung und tiefe Erſchöpfung hervor , wie dieſes Volk noh nicht erlebt hatte. Selbſt ſeine perſönliche Würde und Größe wurde während ſeiner zweiten Herrſchaft vielfach gefährdet. Er war genöthigt, ſeine Ueberzeugungen zu verhehlen, die ihm entgegengeſeßteſten Meinungen zu dulden, Perſonen zu feinem Dienſt zu verwenden und ihnen zum Theil ſein Geſchi> anzuvertrauen , von deren Untreue gegen ihn er vollkommen überzeugt war, die ihn das Zahr vorher entweder ſ{<mähli< verlaſſen, oder ihn vor no ganz turzer Zeit öffentlich und gröblich be[eidigt hatten. Außerdem mußte er, was das Demüthigendſte für ihn war, mit dem revolutionairen Element in den Maſſen, das er fo lange unterdrü>t hatte, ſi< befreunden, und fand zuleßt in der Nation, vie dur feine Rü>kehr irre geführt und aus der von ihr eingeſchlagenen Bahn plötzlich herausgeriſſen worden, nict die Begeiſterung und That-= kraft vor, die er vorausgeſetzt hatte, und ohne die ein neuer Kampf gegen Europa mit einem no< tieferen Falle als vas erſte Mal endigen mußte.