Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

282 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum,

deſſen erſter Entſagung fuchte er, ſi auf ſeine genaue Kenutniß der franzöſiſchen Zuſtände ſtüßend, zwiſchen den Anhängern der Legitimität und der Revolution den Schiedsrichter zu ſpielen , den einen vor den anderen Beſorgniſſe einzuflößen, und jedem von ihnen zu verſtehen zu geben, daß er die Mittel beſiße, ihn vor den Anſchlägen des Gegners zu hüten. Er gab eine Denkſchrift heraus, worin er der Reſtauration, als einzigem Anker der Erhaltung, die genaueſte Uebereinſtimmung mit der Nevolution anrieth, was Fouché bei den Liberalen in den Ruf großen Patriotismus brachte, und bei den Royaliſten noc die Meinung vermehrte, daß ex die leitenden Fäden des Parteigewebes in ſeiner Hand hielt. Fouché war der obenerwähnten Militairverſhwörung unter dem General LefebvreDesnouettes , die den Herzog von Orleans auf den Thron ſeen wollte, nicht fremd geweſen, hatte aber, als er ihre ungenügenden Mittel erkannt, zu ihrer Vereitelung beigetragen. Als nach den erſten von Napoleon davon getragenen Vortheilen und dem beginnenden Abfall der Truppen Fouché begriff, daß eine Erneuerung des Kaiſerreiches niht zu den Unmöglichkeiten gehörte, that er, um ſi< den Zugang zu Napoleon's Perſon frei zu halten, als wirke ex in deſſen Intereſſe, ſo daß der Polizeipräfekt Ludwig XVTIT. ſogar einen Verhaftsbefehl gegen ihn erließ, während er den Hof zugleich benachrichtigte , er habe ſi< den Bonapartiſten nur deshalb genähert, um ſi< ihrer Geheimniſſe zu verſichern. Einige Zeit vorher hatte er ſih eine geheime Unterredung mit dem Grafen von Artois zu verſchaffen gewußt, und deſſen Leichtgläubigkeit nicht nur mit Bewun=derung für ſeine Talente, ſondern ſelbſt mit Vertrauen auf ſeine roya= liſtiſhen Grundſäge zu erfüllen verſtanden.

Napoleon , der von Fouché nicht Alles, beſonders nicht aus dieſer [eßten Zeit, aber genug wußte, um ihn mit Mißtrauen und Abneigung zu betrachten, nahm ſeine Dienſte, obgleih mit innerem Widerſtreben, an, weil er die Geſchi>lihkeit und Erfahrung deſſelben nicht entbehren zu können glaubte, und weil Fouché nebſt Carnot damals für das Haupt der revolutionairen Partei galt, auf die ſich der Kaiſer ſo lange zu ſtügen dachte, bis ihm ſeine Siege über das Ausland die Wiederherſtellung des Abſolutismus im Junern mögli gemacht haben würden. Daß Fouché ſich im Geheimen den Bourbonen genähert, daß er bei dieſen je in Gunſt fommen könnte, ſchien Napoleon, bei der Erinnerung an den Proceß Lud= wig XVI. , unmöglih zu fein. Der Kaiſer hatte in ſcinem Leben, im Großen wie im Kleinen, mancherlei Veränderungen und Uebergänge ge=ſehen, aber es muß zu ſeiner Ehre geſagt werden, daß ihm ein Charakter, wie der Fouché's, von jeder inneren Ueberzeugung, von jeder Anhäng=