Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Milderungen in der bisherigen Geſeßzgebung. 5

und kam der öffentlichen Meinung dabei nur langſam entgegen. Das Geſe vom 22. Prairial, welches den vor dem Revolutionstribunal Anx geflagten die wenigen ihnen früher zugeſtandenen Gewährleiſtungen ent= zogen hatte, ward am 14. Thermidor (1. Auguſt) aufgehoben, aber das nicht minder gefährlihe Geſe vom 17. September (1793) „la loi des suspece!s“ genannt, blieb beſtehen.

Bei der gränzenloſen Willkür, mit weler die Verhaftungen, beſonders in den lezten Monaten vor Robespierre's Sturz, um immer Opfer für die Guillotine vorräthig zu haben, vollzogen worden waren, bei cem darüber in den Gemüthern fo<henden Ingrimm, der am 9. Therider plöglih zum Ausbruch kam, konnten es die Behörden nicht verhin= deru, daß nicht viele einzelne Gefangene mit Gewalt befreit, andere dagegen umgebracht wurden. Das Volk führte die, welche auf Anordnung rer Kommune und der Sectionsausſchüſſe verhaftet worden, im Triumph ort, und machte die, welche man in Folge des 9. Thermidor gefangen geſetzt baie, ohne Weiteres niedex*). Der Konvent erließ, um dieſen Unord= nungen zu ſteuern, am 5. Auguſt ein Dekret, nah welchem Alle, welche nicht eines Komplots gegen die Sicherheit und Unabhängigkeit der Re= publik angeklagt waren, auf freien Fuß geſeßt werden ſollten. Eine große Menge von meiſt zu den höheren und mittleren Claſſen gehörigen Per= ſonen, Männer und Frauen, trat plöglich wieder in die Geſellſchaft ein, uud vermehrte den Haß, welchen das Schre>ensregiment, beſonders ſeit Danteu's Hinrichtung, in den Herzen der Bevölkerung entzündet hatte.

Der Konvent ſchritt in ſeinen Maßregeln gegen den Terrorismus, ot zögernd, und ohne ſi< gegen das Syſtem als Ganzes zu erklären, abec indem er ihm die einzelnen Spißen eine nah der andern abbrach, wirf am fort. Es war vergebens , daß der Jakobinerklub in Maſſe (25. Auguſt) vor den Schranken der Volksvertretung erſchien, um gegen die Freilaſſungen der Royaliſten und Ariſtokraten, wie es hieß, zu pro-

*) Die Frau des Tiſchlers Duplay, bei wel<hem Robespierre gewohnt hatte, wu"de, während ihr Mann die Guillotine beſteigen mußte, na< St. Pelagie gebracht. .Am Abend des 10. Thermidor hrach ein wüthender Weiberhaufen in dies Geiänguiß ein, und erwürgte die ſchon bejahrte Frau, welche unglüd>lich, aber nicht culdig war. Jhre Tochter, die Wittwe des Konventsdeputirten Lebas, fonnte uur durch die tiefſte Verborgenheit ihr Leben retten. Sie miſchte ſich eine Zeit lang unter die armen Frauen, welche, als Wäſcherinnen, auf den zu dieſem Bes buf in der Seine befindlichen Kähnen arbeiten.