Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Widerſprüche in Napoleon's Stellung. 285

früher, von einer blinden Zuverſicht auf ſein Glü> und feine Mat erfüllt. Sein erſter Sturz hatte einen unauslöſ{lihen Eindrucé zurückge= laſſen. Fouché war ihm im höchſten Grade verdächtig, und doh mußte er ſeine Gegenwart ertragen, ſeine Meinungen anhören, und konnte ihn nur wenig beaufſichtigen, weil er ohnedies auf allen Seiten zu thun hatte. Ex ahnte die dunkeln und geheimen Minen, die der Herzog von Otranto gegen ihn anlegte , ohne ſie hindern oder ihnen entgegenarbeiten zu können. Carnot ſeßte die Freiheit der Preſſe dur, die ſhonungs= los gegen Napoleon auftrat, und im Ganzen im republikaniſchen, hier und da im legitimiſtiſhen Sinne geleitet wurde, aber, mit Ausnahme einiger ofſiciellen Blätter, nirgends bonapartiſtiſh war. Man wollte ihn zwingen , die Konfiskatiou und Sequeſtration aufzuheben, fo daß ſeine ausgewanderten und flüchtigen Gegner ihre Einkünfte hätten fortbeziehen und gegen ihn anwenden können. „Bin ih nicht mehr Kaiſer ? ‘““ ſagte er eines Tages zu Carnot. „Ja, Sire, aber mit einer Konſtitu= tion!“ — war die Antwort. „Man kennt den alten Arm des Kaiſers niht mehr!“ — rief er zuweilen ungeduldig áus.

Zu dieſen großen Verlegenheiten und Hinderniſſen im Innern kamen noch die drohenden Erklärungen des Wiener Kongreſſes, die Napo= leon einen Kampf ohne Möglichkeit eines Vergleiches ankündigten, und ihm keinen anderen Ausweg als vollſtändigen Sieg oder gänzlichen Un= tergang ließen. Man hatte dort ſchon am 5. März ſeine Abfahrt von Elba erfahren, ohne zu wiſſen, wohin er ſeinen Lauf genommen. Erſt drei Tage nachher ward ſeine Landung an der Küſte der Provence bez fannt. Dieſes Ereigniß war unter die verſammelten Souveraine und Diplomaten wie ein Donnerſchlag gefallen. Man war in Wien ſogleich von der Bedeutung dieſer Rückkehr Napoleon's und ihrer Gefahr für Europa durchdrungen, und zu den ſ{hnellſten und fräftigſten Anſtalten zu ſeiner Bekämpfung entſchloſſen geweſen. Alle etwa noh beſtehenden Meinungsverſchiedenheiten und Uneinigkeiten hatten aufgehört, und dem einen großen Gefühl des engſten Anſchluſſes gegen ihn Play gemacht. Nah allen Hauptſtädten flogen Eilboten mit dem Befehl zu kriegeriſchen Rüſtungen und Vorkehrungen. Nie hat wohl fonſt ein einzelner Menſch eine fo plögliche und gewaltige Bewegung wie damals Napoleon in der Welt hervorgebracht.

Bereits am 13. März erließen die acht Mächte, die den erſten pariſer Frieden unterzeichnet, eine Erklärung, worin Napoleon als der allgemeine Feind und unverbeſſerliche Störer des Friedens bezeichnet, außerhalb des Schußzes der Geſebe geſtellt, den öffentlichen Strafgerichten

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