Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Erneuerung des Vertrages von Chaumont. 987

Frankreichs auf. Es gelang Talleyrand indeſſen ohne viele Mühe, die Nothwendigkeit der Wiedereinſeßbung Ludwig XVII. und der Erhaltung des franzöſiſchen Volkes als eines Ganzen nachzuweiſen. Eine Theilung Frankreichs hätte wohl einzelnen deutſchen Fürſten gefallen können, die ſich dadurch vergrößert oder entſchädigt haben würden, aber nie die Zu-z ſtimmung Englands und Rußlands erlangt. Selbſt wenn ſie im Augenbli> möglich geweſen, würde ſie nicht von Dauer geblieben ſein. Die Bourbonen zu umgehen, war faſt eben ſo ſchwierig, da man das Princip der Legitimität als die Grundlage des öffentlichen Rechtes in Europa proklamirt hatte, und deſſen Verlebung in einem ſo entſcheidenden Falle Alles in Frage geſtellt haben würde.

Am 25. März unterzeichneten Oeſterreich, Preußen, Rußland und England ein Bündniß, auf den Vertrag von Chaumont (1. März 1814) geſtützt, worin ſie ſi< anheiſchig machten, den erſten pariſer Frieden und die Beſtimmungen des Wiener Kongreſſes aufre<t zu erhalten, und zu dieſem Zwee jede der drei Landmächte ein Heer von 150,000 Mann aufzuſtellen, England aber, was zu dieſem Kontingent auf ſeiner Seite fehlen ſollte, dur Geld zu erſeßen. Ganz Europa, von St. Petersburg bis Madrid, war bereit, ſi gegen Frankreich in Bewegung zu ſeen. Man fühlte allgemein, daß es einen Entſcheidungskampf galt, der mit der äußerſten Anſtrengung ausgefochten werden müſſe.

Napoleon's ganzes Verhalten in den erſten Wochen nac ſeiner Rükehr von Elba beweiſt, daß er eine ſolche Einmüthigkeit gegen ihn nicht erwartet hatte. Einmal hatte er geglaubt, daß der Wiener Kongreß ſeiner Auflöſung nahe ſei, anſtatt noch zehn Wochen zuſammenzubleiben, und dann, daß die einzelnen Mächte ſich nicht ſo \{<nell und entſchieden gegen ihn verbinden würden. Er hatte auf ſeinem Zuge nac Paris und nach ſeiner Ankunft daſelbſt häufig zu verſtehen gegeben , daß er in ge= heimem Einverſtändniß mit Oeſterreich handle, das ihm nächſtens ſeine Gemahlin und ſeinen Sohn wiedergeben werde, daß fein europäiſcher Bund gegen thn beſtehe, und demnach kein Angriff des Auslandes zu er= warten ſei. Um dieſe Täuſchung fortzuſeßen, hatte ex ſogar an der Gränze Alles zu einem Empfange der Kaiſerin Marie Luiſe und des Kö= nigs von Rom vorbereiten laſſen. Er trat in jener erſten Zeit nach ſei= ner Nückehr bei jeder Gelegenheit mit der Erklärung auf, daß er allen Erxoberungsplänen entſagt habe, ſi fortan nur mit dem inneren Glüde Frankreichs beſchäftigen wolle, und hoffe, in dieſem Werk von den frem-= den Mächten nicht geſtört zu werden. Da er aber ſelbſt am beſten wußte, wie falſch folches Vorgeben war, ſo mußte ex gleihwohl ſi zum Kriege