Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

314 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

Da die Preußen bei Ligny geſchlagen worden, ſo mußte au< Welz lington, obgleich er während des Kampfes ſeine Stellung behauptet , ſih ebenfalls zurüdziehen, um mit ſeinen Verbündeten in Linie zu bleiben. Ex ließ jedo<h, um Ney zu täuſchen, während er nach der vor dem Walde von Soignes liegenden Höhe , oberhalb der Ebene und des Dorfes Water= loo zog, ein Korps unter Lord Uxbridge bei Quatrebras zurüc.

Die Engländer hatten am 16. Juni ebenfalls viel gelitten, und Wellington gab ſich über den Ausgang des Feldzuges keinen glänzenden Hoffnungen hin. Blücher's Nückzug hatte auf ihn großen Eindru> ge= macht. Er hielt Napoleon's Ankunft in Brüſſel für wahrſcheinlich , und ſchrieb an den Herzog von Berry, der bei ſeiner Familie in Gent weilte, daß in dieſem Falle Ludwig XVIIL. eine Zuflucht in Antwerpen ſuchen müſſe. Hätte Ney Wellington's Nachhut unter Uxbridge kräftig ange= griffen, ſo wären die Engländer umgangen, und die ſpätere Vereinigung mit den Preußen unmöglih gema<ht worden. Der Marſchall glaubte aber, immer noch die ganze engliſche Armee vor ſich zu haben , und erwartete Verſtärkung, um ſie anzugreifen. Eine koſtbare Zeit ging auf dieſe Art verloren.

Napoleon war am Abend des 16. Juni einen Augenbli> lang ungewiß, ob er Ney zu ſich nah Ligny rufen, um die Niederlage der Preußen zu vollenden , oder ob er ſi zu ihm nach Quatrebras begeben ſollte, um die Engländer anzugreifen. Dieſer leßtere Entſchluß wog endlich vor. Er hoffte, mit 80,000 Mann ſeiner beſten Truppen, die Garde eingerechnet, von ihm ſelbſt geleitet und begeiſtert , das engliſche Heer zu überwältigen, während er 40,000 Mann unter dem Marſchall Grouchy zur Verfolgung Blücher's, und um deſſen Vereinigung mit Wellington zu verhindern, in der Richtung nah Wavres abſchi>te.

Der Regen, der während des 17. Juni in Strömen herabſtürzte, erſhwerte auf dem fetten belgiſhen Boden die Bewegungen der Truppen, beſonders der Reiterei und Artillerie, und erſhöpfte ſo Mannſchaften als Pferde. Napoleon kam erſt gegen Abend im Angeſicht des Waldes von Soignes an, vor dem die engliſche Armee lagerte. Er war im höchſten Grade damit unzufrieden, daß Ney niht ſchon angegriffen hatte, ſondern dem Feinde unthätig gegenüberſtand. Der Marſchall, dur< ſeine bei Quatrebras begangenen Fehler eingeſhüchtert, hatte nichts auf ſich allein nehmen, und die Ankunft des Kaiſers erwarten wollen. Eine dur ihn verurſachte Niederlage konnte, bei dem Verhältniß, in dem er no vor Kurzem zu Ludwig XVIII. geſtanden , den Verdacht des Verrathes erregen. So unbegründet dies auh geweſen, das Verhalten Marmont's