Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

326 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

Einfluß auszuüben. Sein Plan war, zunächſt die Repräſentantenkam= mer gegen Napoleon aufzuſtellen und ihn zur Abdankung zu zwingen, die Republikaner mit dem Blendwerk der Volksſouverainetät und der Mög= lichkeit des Gelingens ihrer Ideen zu täuſchen, während dieſer Zeit die Unterhandlungen mit den verbündeten Mächten über Frankreichs Inte= grität dur<h Zuſammenziehung aller vorhandenen Streitkräfte bei Paris zu unterſtüßen und zulezt die Rükehr der Bourbonen als das einzige Mittel der Rettung vorzubereiten. Fouché gedachte für eine zweite Re* ſtauration Das zu werden, was Talleyrand für die erſte geweſen. Dieſe halb egoiſtiſche, halb patriotiſche Rolle ward von ihm mit bewunderns= würdiger Kühnheit und Feinheit durchgeführt, obgleich er ſi< niht lange des Gelingens ſeiner Abſichten erfreuen ſollte.

Der Verabredung mit Fouché gemäß, der aber immer noh fortfuhr, zu Napoleon's Miniſtern und Rathgebern im Elyſée zu gehören, beſtieg de la Fayette am 21. Juni die Rednerbühne, um den erſten großen Schlag gegen den Kaiſer zu führen. Ec ſah ſi< im Geiſte in die Zeit von 1789 zurüverſebt , wo er der Schiedsrichter der Parteien, und die Stüße der Freunde der Freiheit geweſen war. Er träumte von der Erneuerung einer ſolhen Stellung für ihn, obgleich er in dieſem Augenbli> mehr ein Werkzeug Fouché's als er ſelbſt war, und die Verhältniſſe mit venen im Anfange der Revolution keine Aehnlichkeit boten. Aber de la Fayette’'s Name und Anſehen war groß in der Verſammlung und ‘er ſcien von der Mehrheit dazu beſtimmt zu ſein, jet den kaiſerlichen wie einſt den königlichen Despotismus zu ſtürzen. Seine Anträge wurden ſämmtli<h angenommen. Sie betrafen im Weſentlichen Folgendes : Die Kammer erklärt ſich in Permanenz — jeder Verſuch, ſie aufzulöſen, wird mit der Strafe des Hochverraths belegt — die Miniſter müſſen ſi< ihr zur Verfügung ſtellen. — Dies hieß, die Regierung an ſih reißen, und Napoleon, obgleich er noh die Krone trug, bei Seite ſchieben.

Während dieſer Zeit berieth der Kaiſer im Elyſée mit ſeinen Mi= niſtern, unter denen Fouché in der Kammer ſeinen Sturz vorbereiten ließ, die meiſten anderen aber ebenfalls ihn aufzugeben bereit waren, über die Möglichkeit, Paris und Frankreich gegen den Feind zu verthei= digen, wozu es aber in jenem Augenbli>, bevor no die am 18. Juni zerſprengten Korps ſich wieder einigermaßen geſammelt hatten , an allen Mitteln fehlte. Sobald Napoleon von den in der Repräſentantenkammer gefaßten Beſchlüſſen hörte, gerieth er in Zorn, und brach in Drohungen aus, als er aber die ſ<wankende Haltung ſeiner nä<hſten Umgebungen bemerkte, zeigte er ſich, wie das Jahr vorher in Fontainebleau, zur Nach=