Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

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und Mouſſeline-Kravatten der Vertretungsfkörper der Kommunen. An der Spitze dieſes tollen Auſzugs aber tappte der König nebſt Gemahlin und nebſt dem Kronprinzen, dem ſpäteren Schuſterlehrlinge. Eine Menge Maulaffen aus allen Theilen des Feiches waren erſchienen, um an der Feierlichkeit Auge und Herz zu weiden. Als Ludwig XVI. unter dieſen Maul und Naſe aufſperrenden Gaffern auc ſeinen Aufſeher der Windhündinnen erbli>te, gerieth er in große Wuth ; denn er dachte, daß die Jagdhunde mittlerweile nicht ordentlich gepflegt würden. Ex hielt alſo den feierlichen Umzug auf, fuhr den Hunde-Junſpektor an, was er denn hier zu thun hätte, und befahl ihm, ſofort nach den Hundehütten zurü>zukehren. Offenbar war die königliche Majeſtät ſo übel gelaunt, weil ſie an dieſem Tage niht in den Wäldern herumſtreichen und das Blut der Thiere vergießen ftonnte.

Der König tödtete im Jahre 8 — 10,000 Stü Wildpret und führte darüber genau Buch, indem er die Jagdbeute jeden Monat zuſammenrehnete und am Schluß des Jahres das Ergebniß der zwölf Monate addirte. Dieſe Re<hnung machte er in ſeinem Tagebuche. Wenn er einen Tag nicht auf die Jagd gehen konnte, ſchrieb ex einfa das Wort: „Nichts“. So ſchrieb er in ſein Tagebu<h au<h ein: „Sonnabend, den 11. Juli, Nichts. Abreiſe des Herrn Ne>er. — Dinstag, den 14. Juli, Nichts.“ — Den letzteren Tag hatte ihm der BaſtilleSturm die Jagd verleidet.

Ueber dieſen dummen Menſchen machte man ſi<h bei der Königin [uſtig, indem man ihren Herrn Gemahl ihren „Vulkan“ nannte, wodur< * fie zur Venus wurde. Sie war in der That von ſeltener Schönheit trob der den habsburgiſhen Urſprung anzeigenden aufgeworfenen Lippe ; indeß war ſie eine leichtfertige, ſ{<nippiſhe, ſpöttiſhe, mitunter ſogar etwas lüderlihe Venus. Als der ſpätere Schuſterlehrling getauft wurde, ſtand der Graf von Provence, der ſpätere Ludwig XVII, bei ihr zu Gevatter. Dieſer ſagte zum taufenden Prieſter : „Herr Pfarrer, Sie haben eine übliche Formel vergeſſen; denn Sie haben niht gefragt: wer der Vater und die Mutter des Kindes ſind,“

Marie Antoinette wurde niht beſſer von ihrem Bruder, dem Kaiſer Joſeph 11, beurtheilt. Als derſelbe 1777 ſih mehrere Monate in Paris aufhielt, machte er zu einem dortigen Schauſpieler die Bemerfung: „Vous avez une reine bien étourdie“ (Sie haben eine reht unbefonnene Königin). *) e

Marie Antoinette hatte zwar - keine ausgezeichnete Erziehung genoſſen, war aber ihrem Vulkan, den ſie dur<h Schmollen oder au< durch ihr gutes Mundwerk untex dem Pantoffel hielt, weit überlegen. Einſtmals entſchuldigte ſich Ludwig XVL, weil ex ſi< von ſeiner Gattin hatte übertölpeln laſſen, beim Miniſter Maurepas mit den Worten : „Jhr Verſtand hat ein ſolches Uebergewicht über den meinigen, daß ih mi ihrer niht habe erwehren können,“ **)

Marie Antoinette hatte alſo die Hoſen an, und die Franzoſen

*) Renée, Louis XVI. ét sa cour, zweite Auflage, Seite 139. **) Ebendaſelbſt, Seite 252,