Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

aneinander gebunden, und das Baby (I, 2), die kleine Raucherin (], 1), Frau Montessori (IV, 8), der Pastillenmann (Fig. 12) blicken trotz der offenen Augen intensiv auf einen Einzelgegenstand; jene deuten hier nur das besonders lebhafte Interesse an diesem an.

Anderseits ist der Parallelblick sicherlich auch mit dem abgedeckten Auge vereinbar, besonders dort, wo dieses nicht Kontakt, sondern starken Willen anzeigt. So bei Siegfried (Schmedes IX, 1), wo der Blick in die weite Welt gerichtet ist, die ihm gehört. Bei noch schärferer Abdeckung wird daraus der strenge Herrscherblick wie z. B. bei dem Dogen (III, 6).

Zusammenfassung zur Einstellung der Augachsen

1. Die Kontaktstellung der Augachsen ist die Konvergenz, Parallelstellung bedeutet Lockerung des Einzelkontakts (offene oder verhängte Einstellung).

2. Auf hohem Formniveau ist die Parallelstellung der Augachsen ein Maß der Gestaltungskraft des Typischen, der Idee; die Konvergenz ein Maß der Gestaltungskraft des Einmaligen. Auf niederem Formniveau ist Parallelstellung Gegenstandsverlust, Konvergenz die Alltagseinstellung.

Außeres und inneres Schauen. Die Akkommodation der Linse (Tabelle 3)

Noch ein hervorragendes Charakteristikum der Augen Goethes (II, 1—5) bemerkt man, wenn man etwa ein Bild Lessings (VIII, 2) daneben hält. Goethes Augen schauen wesentlich nach außen, mit beharrlicher, selbst anschaulicher Kraft; das tun die Lessings trotz ihrer Blankheit nicht, sie schauen viel mehr nach innen. Nach außen schauen heißt anscheinend zunächst ein deutliches Bild des Gegenstands auf der Netzhaut erzeugen; und dazu genügt die Abdeckung

106