Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

herabgezogen. Aber der bittere Zug ist eine Komponente der später zu besprechenden Ekelstellung. Wir suchen den bitteren Gegenstand, ursprünglich den Magensaft mit seinem Inhalt, gleichsam herauszuwürgen; entsprechend sind auch die Geschmackspapillen für das Bittere tief unten im Zungengrund. Der Kehlkopf wird hiebei etwas gehoben, der Unterkiefer vorgestreckt und der Mund in der Mitte hinaufgeschoben, ähnlich wie bei der Rümpfstellung, nur geht bei der Bitterkeit der Impuls nicht von der Nase aus, sondern vom Unterkiefer, und es wird primär nicht der Heber der Oberlippe und des Nasenflügels in Tätigkeit gesetzt, sondern der Kinnmuskel (M. mentalis). Auch der Ekel flieht vor dem Reiz, aber nicht durch Sichverschließen, sondern durch Ausstoßung des Reizgegenstands. Insofern also stellt der bittere Zug die verhängte Geschmackseinstellung dar.

Von der Unlust- und Murrstellung nun ist der bittere Zug dadurch unterschieden, daß bei jener die Ekelstellung fehlt, wie etwa ein Vergleich der Ecce Homo-Bilder (XIII, 4, 5) mit denen von Nansen (XII, 4) oder Byron (Fig. 14) lehrt, wo der bittere Zug viel ausgeprägter ist. Bei der Unluststellung sind zwar die Mundwinkel heruntergezogen, allein die Mundmitte ist nicht hinaufgeschoben, daher fehlt jene eckige Aufbauchung der Lippen wie bei der Bitterkeit.

Da nun beim Menschen auch Saures und Bitteres zum Wohlgeschmack werden kann, bestimmt sich nach der Größe der Mundöffnung bei den Geschmackseinstellungen und der Lage der Geschmackspapillen auf der Zunge sogar die Form und Größe unsrer Trinkgläser: wir nippen süßen Likör aus zierlichen „StamperIn”, trinken angenehm säuerlichen Wein aus größeren Gläsern, schlürfen würzig bitteres Bier aus tiefen Krügen.

Nun zur Ausdrucksdeutung! Die ursprüngliche Übelkeitsbedeutung zeigt der bittere Zug auf der gequälten Maske des Pastillenmannes (Fig. 12). Zum Ekel vor dem Leben wird der

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