Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

des „vellus aureum” zu lehren. In Treviso residierte gleichzeitig auch jener sagenberühmte Graf Bernhard von der Mark (Bernardus Trevisanus), dem nach seinen eigenen Angaben am Ende eines Lebens voller Wanderungen und mißglückter Versuche im Jahre 1482 die Bereitung des Steins, das Masisterium, gelang. Schon Max von Boehn vermutet, daß der junge Giorgione in Castelfranco von diesem geheimnisvollen „Philosophen” in der Nahbarstadt Treviso einen starken Kindheitseindruc&k empfangen habenmuß. Augurelli hat unsern Maler noch überlebt. Sechs Jahre später, 1488, war das alchemistische Treiben in Venedig so stark geworden, daß der hohe Rat ein strenges Verbot dagegen erließ. Die lebhaften Handelsbeziehungen Venedigs zum deutschen Norden einerseits und zur Türkei und dem Morgenland anderseits, auch die Glasbläserei und die Goldschmiedekunst, wie sie in Dürers venezianischen Briefen eine Rolle spielen, scheinen das Adeptenwesen gerade hier seßhaft gemacht zu haben. Mancherlei merkwürdige und lehrreihe Nachrichten darüber bringt die sog. Goldschmiedechronik.?) Danach haben um I500 und später viele Goldschmiede und Glasmaler den Künsten der Alchemie obgelegen, „sonderlich im Welschland, denn durch Glühen und Brennen der Metalle wurden gar viele sonderbare und beständige Farben erzeugt und haben ihnen (den Glasmalern) die Alchemisten manchen guten Dienst getan.” Besonders ist die Rede von einem Jörg Wannenwetsch, der bei dem Schweizer Glasmaler Hans Wild in die Lehre gegangen sein soll, dann in die Türkei gelaufen, woselbst er ein Jude geworden. „Da er dorten im Hause eines sehr reichen Juden lange verblieben, auch von ihm fast als ein Sohn gehalten worden, hat er von den griechischen und jüdischen Philosophen und Alchemisten in vielen Künsten Unterweisung erfahren, hat auh in der griechischen, hebräischen und arabischen Sprache eine sonderbare Fertigkeit erlangt, also daß er istfür einen Gelehrten geachtet und vom Großtürken geehrt worden. ... Also hat man von dem Wannenwetsch eine lange Zeitnichts mehr gehört, er ist für tot gehalten worden. Es hat mir aber weiter der Wolf Reischacher, der es von ihm gewahr worden, zu wissen getan, daß nach einer langen Zeit der Wannenwetsch aus der Türkei ist nach Italien gekommen mit venedigen Kaufleuten und war allda bei einem Prälaten. Der

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