Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

Beachtenswert ist, daß sich das Verbot Pauls II. auch auf Sozietäten bezog, bei denen alchemistische Bestrebungen nicht ohne weiteres erkennbar waren, auf jene gelehrt-archäologischen Gesellschaften, die sich seit Beginn des J5. Jahrhunderts an allen bedeutenden Kulturzentren Italiens unter dem Namen „Akademien” gebildet hatten und wie sie dann in Deutschland vor allem durch Celtes, den Gründer vieler literarischer „Sodalitäten”, nachgeahmt wurden. Uns interessieren hier nur die älteren Akademien der Frührenaissance, deren älteste wohl die von Gemistos Pletho — nach dem Vorbild einer Akademie in der Gegend von Sparta — gegründete platonische Medicäer-Akademie von Florenz ist. Die im Anfang fast sektenhaft abgeschlossene Gemeinschaft des Pletho wurde von dem Mönche Gennadius als Vertreter der rechtgläubigen Kirche schon zu ihrer Entstehungszeit als „heidnisch” angegriffen. Wir wissen ja auch, daß die platonishen Akademien der Frührenaissance die des Altertums nachgeahmt haben. L. Keller meint auch, daß über Byzanz, trotzdem Kaiser Justinian 529 die letzte Akademie geschlossen hatte, tatsächlich eine heimliche Vermittlung von der Antike bis ins I5. Jahrhundert in ununterbrochener Kontinuität gegeben ist. Wir wissen ferner, daß jene „heidnischen Akademien” des Altertums, die Gesellschaften des Pythagoras, Thales und vor allem Platos und seiner Schüler den Charakter von Kultusgenossenschaften mit sakralen Einrichtungen und Graden gehabt haben, und höchst bezeichnend für die symbolische Zahlenmystik und Zeichengebung dieser Gemeinden ist die berühmte Inschrift des Plato: „Nur den Kennern der Geometrie ist der Eingang gewährt.” —

Was nun von der Entwicklung der platonischen Akademie in Florenz bekannt ist, der bekanntlich Cosimo und Lorenzo Medici, Poliziano, Marsilio Ficino und Pico, L.B. Alberti u. v. a. beitraten, zu der aber auch der Kabbalist Reuchlin Beziehungen unterhielt, deutet äußerlich zunächst mehr auf jene berühmte Geselligkeit von Camaldoli und Poggio a Cajano, auf die gelehrten und ästhetischen Disputationen im Freien, wie sie uns Landino beschreibt und wie sie die Neakademie des Aldus ähnlich in den Gärten

von Murano bei Venedig abhielt. Von einer strengen Hierarchie im Sinne der

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