Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

ausgestattetund mindestensder Vertreter desersten,jüngsten Grades, ist, wie esseiner Aufgabe gemäß ist, deutlich als typischer „Saturnier” gekennzeichnet. Alle dreibefindensichinaltüberliefertersymbolischer Anordnung unter BäumenimHain vor einer Höhle, die, nach der Stellung der untergehenden Sonne zu schließen, im Osten zu denken ist. Eine genauere Definition ist noch nicht erreichbar und es fragt sich, ob diese überhaupt dem Wesen der Renaissance-Mystik gerecht werden würde: auf der Stufe eines noch halb symbolisch-gnostischen Denkens und noc dazu im Geiste eines Künstlers werden die Bedeutungen nicht so streng logisch festgehalten und unterschieden wie heute! Das symbolische Bewußtsein gestattet ein Fluktuieren, eine Auswechselbarkeit, eine Multivalenz der Bedeutungen, in die wir uns heute nur schwer hineinfinden können. So fließt auch in Giorgiones Bild „Hermetisches” mit „Akademischem” (platonischem), beides wieder mit der aktuellen Saturn-Theorie zusammen. — Auch die Bestimmung des Kunstwerks läßt sich jetzt ahnen: Das Bild war von Giorgione im Hinblick, vielleicht auch im Auftrag einer Sodalität (von Saturn-Brüdern?) oder eines hervorragenden Mitgliedes derselben gemalt. Giorgione selbst gehörte einer solchen, sei es mehr hermetisch, sei es akademisch gefärbten Sodalität an. Sein Bild sollte wohl einen Versammlungsraum (ein „Museum” im Sinne des Pomponius Laetus ?) schmükken. Aufjeden Fall war sein Inhalt nur dem Eingeweihten ganz verständlich. —

Unsere Auslegung kann im einzelnen falsch sein, da wir über das innere Leben in den mehr oder weniger geheimen, mehr oder weniger kultisch gestimmten Gesellschaften um I500 nur ungenügend unterrichtet sind. „Weit hergeholt”, „allzu kompliziert für einen Künstler” erscheint die Auslegung nur uns Heutigen; aber um I500 war Alchemistisches, waren die Ideen eines Pico und Ficin geradezu modische Gesprächsthemata; ihre religiöse Naturromantik, ihre Psychologie und — gerade ihre Unbestimmtheit mußten der Natur eines Giorgione, wie wir sie aus anderen Bildern kennen, auch stimmungsmäßig sehr entgegenkommen. Wir bestreiten indessen auch jetzt nicht die Möglichkeit, daß wir mit dem Versuch unserer Deutung und allem, was

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