Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance
Vasari, „es finden sich keine Darstellungen darauf, die Zusammenhang haben oder die Taten eines hervorragenden Mannes des Altertums oder der Neuzeit darstellen; ich für meinen Teil habe sie niemals begriffen, noh auf Fragen, was denn darauf sei, jemanden gefunden, der sie verstand: Denn hier sieht man eine Frau, dort einen Mann in manniefadhen Stellungen; einer hat einen Löwenkopfneben sich (!), eine andere Figur mit einem Engel wie ein Kupido; und man kann nicht fassen, was es sein soll. Allerdings ist über dem Hauptportal eine sitzende Frau mit dem abgeschlagenen Haupt eines Giganten zu Füssen, etwa so wie eine Judith. Sie erhebt das Haupt mit einem Schwert und spricht mit einem tiefer stehenden Deutschen, doch habe ich nicht auslegen können, zu was er sie gemacht hat, es sei denn, er habe sie als eine Germania beabsichtigt.” Auch Zanettis im 18. Jahrhundert nach den Freskoresten gemachte Radierungen helfen nicht mehr viel weiter; auffallend ist eine weibliche Gestalt, die ihren rechten Fuß auf einen Stein ähnlich dem Mühlstein in Dürers Melancholia setzt und in der Hand eine große umgekehrte Hellebarde trägt. Aus Ridolfi erfahren wir dann aber auch noch, daf3 Giorgione auch „Geometer, die die Weltkugel messen,” angebracht hatte. Höchst wahrscheinlich handelt es sich wieder um sinnbildliche Attribute für magische Tätigkeiten überhaupt, vielleicht hatte Giorgione die verschiedenen Geheimwissenschaften allegorisch dargestellt. Jene Weltkugel (palla) ist in Verbindung mit dem Zirkel ein weitverbreitetes Lehrbild — auch Adepten der alchemistischen Kunst werden mit ihr so dargestellt.””) Vielleicht war die „palla” vielmehr eine Scheibe, ähnlich wie auf dem Dresdener Bild und wie auf einem merkwürdigen, meist der „Astrolog” betitelten Kupferstich des GiulioCampagnola, dem wir uns nunmehr zuwenden,“) weil dieses Blatt uns wieder unmittelbar an den bei Giorgione so ausgeprägten Stoffkreis des Wiener und des Dresdener Bildes heranbringt.
Vor einem malerischen Stadthorizont im Stile Giorgionescher Stimmungslandschaft sieht man ganz vorn zur Linken unter einem Hügel den sitzenden sogenannten „Astrologen”, tief beschäftigt mit einer Horoskopsceibe, die außer Sonne und Mond das Tierkreiszeihen der Wage trägt. Rechts im
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